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Aus aktuellem Anlass ein Kommentar meinerseits zu einem Thema, das zuletzt durch die Medien geisterte und mich leider indirekt persönlich betrifft. Erst vor wenigen Monaten entschloss ich mich, mein Vertrauen einem deutschen E-Mail-Dienstleister zu schenken, der seinen Kunden für einen geringen monatlichen Obolus unter anderem Anonymität, Verschlüsselung, Sicherheit, Werbefreiheit und vor allem Datenschutz versprach: Posteo

Jüngst wurde ausgerechnet Posteo durch eine schwachsinnige und gefährliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nebst Geldstrafe dazu verurteilt, seine eigenen Kunden direkt zu überwachen, sobald deutsche Strafverfolgungsbehörden das verlangen. Die deutsche Unrechtsprechung zwingt also selbst IT-Dienstleister, die sich ganz konkret und vehement gegen jegliche Überwachung positionieren, auf schizophrene Weise zu aktiver Unterstützung dabei, die eigenen Kunden im Hintergrund auszuspionieren, ihre IP-Adressen aufzuzeichnen und alle diese Daten auszuhändigen. Und sie dürfen das alles den betroffenen Kunden noch nicht einmal mitteilen, werden also zusätzlich zur Verschwiegenheit und Heimlichtuerei verpflichtet.

Das sind Kunden wie ich, die Geld für IT-Dienstleistungen bezahlen, und wie versprochen im Gegenzug echte Anonymität und Datenschutz erwarten, dies aber möglicherweise gar nicht bekommen. Sie werden also streng genommen betrogen. Und Posteo kann dann noch nicht einmal etwas dafür, denn sie werden in ihren eigentlichen Absichten von höchster gerichtlicher Stelle sabotiert. Posteo hat juristisch alles getan, um diesen katastrophalen Fall abzuwenden, doch am Ende gewinnt die Überwachungsgeilheit deutscher Behörden, die sogar falsche Verfassungskonformität bescheinigt bekommt von senilen, konservativen Richtern, die die Tragweite ihrer technikfremden, fortschrittsfeindlichen Fehlentscheidungen nicht im Ansatz verstehen. Mit verbissener Konsequenz wird der von der Regierung vor Jahren eingeschlagene Holzweg zur Überwachung der Bürger fortgesetzt und juristisch immer mehr ausgeweitet und weiter legitimiert. Und selbst wer aussteigen will, sich dem Trend widersetzen will, wird von allen Gerichten per existenzbedrohender Geldstrafen wieder auf Linie gezwungen.

Es reicht offenbar nicht, dass alle Internet- und Mobilfunkanbieter als verlängerter Arm des Gesetzes längst zur Mithilfe und Datenübergabe selbst in Bagatellfällen verpflichtet sind, nun werden auch kleinere E-Mail-Anbieter in die Knie gezwungen und zur Obrigkeitshörigkeit verdonnert. Es ist damit de facto per Gesetz unzulässig, einen IT-Dienst anzubieten, der seinen Kunden Anonymität gewährt. Was bedeutet das folglich? Deutsche Unternehmen sind für Kunden daher grundsätzlich nicht vertrauenswürdig; können sie gar nicht sein, wenn sie ihren Kunden niemals garantieren können, dass Behörden nicht jederzeit Zugriff auf ihre Daten erlangen dürfen. Schlimmer noch, ich darf nicht einmal erfahren, wenn meine Daten an irgendjemanden ohne mein Wissen und ohne meine Genehmigung ausgehändigt wurden.

Posteo verdient meinen Respekt dafür, dass sie trotz aller Widrigkeiten versucht haben, sich dagegen zu wehren. Aber diesen Kampf konnten sie nur verlieren, denn hier sitzen längst die stolzen Architekten des Überwachungsstaats am Hebel. Und nun werden sie keine andere Wahl haben, als eine teure technische Vorrichtung zur Protokollierung der Zugriffe und Speicherung der IP-Adressen ihrer Kunden installieren zu müssen, und das einzig zum Zweck der Mithilfe zur Strafverfolgung. Denn falls mal wieder die Polizei anklopft und dumme Fragen stellt, dürfen sie sich in Zukunft nicht mehr auf technische Unmöglichkeit berufen, dürfen sich nicht mehr weigern, jemanden zu überwachen und möglicherweise ans Messer zu liefern. Sie müssen eigenes Kapital aufwenden, um dafür Sorge zu tragen, allen behördlichen Spionageanfragen problemlos nachzukommen.

Aus meiner Sicht eine absolute Schweinerei, dass so etwas hier möglich ist. Ein schändliches Urteil, das nicht hätte gefällt werden dürfen. Anonymität im Netz ist heutzutage sehr selten, wertvoll und in jeder Hinsicht schützenswert. Es ist bereits schwer genug, jemanden zu finden, der sich kompromisslosem Datenschutz verschrieben hat und wirklich im Sinne seiner Kunden handelt. Aber wenn selbst diese zahlenmäßig geringen Bemühungen von Behörden und Gerichten gemeinsam torpediert werden, sterben diese Werte endgültig aus. Für mich bedeutet das, dass ich mich von Posteo mittelfristig leider wieder trennen muss, um mich bei der Konkurrenz im Ausland umzusehen, die vor dem Zugriff deutscher Bürokraten möglicherweise etwas besser geschützt ist.