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Nicht die Schönste im ganzen Land

snowwhitehuntsmanEs hätte eine so schöne Kindheit für Prinzessin Snow White (Kristen Stewart) werden können, wenn da nicht plötzlich ihre Mutter gestorben wäre. In der Folge heiratet ihr Vater, König Magnus, die geheimnisvolle Ravenna (Charlize Theron), die er zuvor aus den Fängen dunkler Krieger befreit hatte. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellt, denn Ravenna – jetzt Königin – ermordet kurzerhand ihren frisch angetrauten Gemahl, lässt Snow White in einen Turm sperren und reißt die alleinige Gewalt über das gesamte Land an sich. Als die Prinzessin eines Tages volljährig wird, erkennt Ravenna, welche Gefahr das Mädchen für sie darstellt. Doch kurz bevor Ravenna sie töten kann, gelingt es Snow White zu fliehen. Der Huntsman (Chris Hemsworth), ein stadtbekannter Trinker, soll sie aufspüren und zurückbringen, doch stattdessen beschließt er, sie zu beschützen, da sie die einzige ist, die die Schreckensherrschaft ihrer grausamen Stiefmutter beenden kann. Glücklicherweise stehen ihr außerdem ihr Jugendfreund William und einige Zwerge tapfer zur Seite, während Ravennas bösartiger Bruder der Truppe schon dicht auf den Fersen ist.

Wer kennt es nicht, das alte Märchen vom Schneewittchen und den sieben Zwergen von den Gebrüdern Grimm, das nicht zuletzt dank Disney wahrscheinlich eines der bekanntesten auf der Welt ist. Seine jüngste cineastische Inkarnation wurde erst vor wenigen Monaten in den deutschen Kinos zelebriert: in Form des zweistündigen Spielfilms „Snow White and the Huntsman“. Regie führte der unerfahrene Rupert Sanders. Als Zuschauer einer solchen Vorstellung erwartet man sicherlich keine handlungstechnischen Überraschungen, da die Geschichte ohnehin bekannt ist, aber vielleicht ist es dem Regisseur sogar gelungen, dem Märchen einige spannende Finessen, einen glänzenden neuen Anstrich, eine ganz andere Perspektive, soviel Tiefgang und so dermaßen vielschichtige Charaktere zu verpassen, dass man das Gefühl bekommt, man habe etwas völlig neues gesehen. Ist der Film am Ende sogar ein bisschen wie „Der Herr der Ringe“ von Peter Jackson?

Eigentlich nicht. Der Film bringt wirklich ein paar frische Ideen ein, so z.B. dass die Stiefmutter mit einem Fluch belegt ist, oder eine trollähnliche Kreatur, die am Rand eines dunklen Waldes haust. Snow White und der Huntsman landen in einem Dorf, in dem nur noch Frauen leben. Snow White begegnet dem Geist des Waldes im Reich der Feen. Fast nichts davon wird eingehend behandelt, immer nur kurz angerissen und dann sofort aus dem Fokus der Handlung verdrängt und nie wieder erwähnt. Man kann sich auch darüber streiten, ob es ein guter Schachzug war, dass Sanders Schneewittchen einen Hauch von Surrealismus verleihen wollte. Ich fand das meistens sehr interessant, wenn es nur nicht so halbherzig umgesetzt worden wäre. Womöglich liegt es an den Schauspielern, dass der Film so flach wirkt.

Da wäre zunächst Kristen Stewart, das etwas an chronischer Ausdrucksschwäche leidende, aber allemal entzückende Twilight-Sternchen. Damit ist sie für diese Rolle bereits ausreichend qualifiziert und füllt diese auch gänzlich aus. Dass es bei Snow White eben nicht allzu sehr „menschelt“, verzeihe ich dem Film wahrscheinlich sogar leichter als wenn ich mich mit dem Gegenteil hätte abfinden müssen. Umso mehr Emotion liefert dafür eine erwartungsgemäß sehr professionelle Charlize Theron: Sie schreit, sie knurrt, sie hat beinahe Schaum vor dem Mund, und im Gegensatz zu Stewart kann sie sogar weinen, ohne dass es aussieht als wären ihre Augen nur ein bisschen undicht. Chris Hemsworth kopiert hier mehr oder weniger exakt seine Paraderolle aus „Thor“, nur eben ohne göttliche Superkräfte. Wohlmeinend unterstelle ich der Castingabteilung hier Absicht, sonst müsste ich mich darüber beklagen wie stumpf er den Huntsman darstellt. Seine Beteiligung garantiert jeder noch so sorgfältig choreografierten Kampfszene die Eleganz einer Kneipenschlägerei. Die anderen Darsteller hinterlassen kaum genug Eindruck, damit es sich lohnen würde, noch genauer darauf einzugehen. Einzig Bob Hoskins als blinder Zwerg war mir sofort sympathisch.

Etwas befremdlich wirkt, wenn es auch kein Problem des Films sondern der Synchronisation ist, die Verwendung des englischen Namens „Snow White“ für Schneewittchen (daran gewöhnt man sich), und (irgendwie konsequenterweise) „Huntsman“. Für deutsche Ohren ist letzteres vielleicht doch ein bisschen ungeschickt, hätte man doch mit Leichtigkeit etwas aus unserer Sprache einsetzen können. Zumindest meine Wenigkeit versteht in komplett deutschen Dialogen, in denen plötzlich vom „Huntsman“ die Rede ist, schon weil der Begriff im gesamten Film pseudonym verwendet wird, gerne mal so etwas wie „Hansmann“ und musste entfernt an einen Hanswurst denken, aber nicht an einen Jäger. Das kann störend sein, muss es aber natürlich nicht.

Fazit: „Snow White and the Huntsman“ ist kein schlechter Film, und es ist auch kein guter Film. Es ist wohl einfach nur ein Film, und er hat sogar seine Momente, z.B. wenn Snow White ihre „Johanna von Orléans“-Phase hat und beritten und in voller Montur ihre heimatliche Burg stürmt. Optisch gibt es an dem Film nichts zu kritisieren und auch der Soundtrack ist unauffällig aber gut. Fans von Charlize Theron werden sämtliche ihrer Szenen lieben. Darüber hinaus, fürchte ich, kann ich mit Lob im Besonderen nicht dienen. Es ist nicht richtig spannend, es gibt keine echte Liebesgeschichte, auch mit allzuviel Humor darf man nicht rechnen, und überhaupt. Andererseits, wer gerade sonst keinen Film und auch nichts wichtigeres zu tun hat, der wird sich ganz passabel unterhalten fühlen, sofern er denn wenigstens die Hauptdarsteller interessant findet.