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Eine seltsame, geradezu verschrobene Person wie ich, die mit ihren Gedanken sowieso bei jeder Gelegenheit in der Vergangenheit ist, ständig der Vergangenheit nachhängt, ihr beinahe nachweint, verbringt auch übermäßig viel Zeit damit, nach Wegen zu suchen, die Vergangenheit für sich zu erhalten. Und die Nostalgie ist stark in mir. Praktisch schon als Jugendlicher wurde ich regelmäßig nostalgisch gegenüber sämtlichen Dingen, die ich aus der (damals noch gar nicht so lange zurückliegenden) Kindheit kannte. Das betrifft das übliche Spektrum typisch nostalgiegeladener Dinge von Spielsachen, Zeitschriften, TV-Serien, über Personen, alte Schulsachen, Musik, bis hin zu Orten, Snacks und Süßigkeiten, und in meinem Fall eben auch ganz besonders: Computer, Computerspielen und anderer Software.

Schon in den späten 90er Jahren befasste ich mich durchgängig mit Emulatoren für den Atari ST, den Amiga, den C64, sowie sämtlichen beliebten Spielekonsolen meiner Kindheit, bastelte an Konfigurationen und verwendete gerne Programme und Spiele, die praktisch als ausgestorben galten. Allein die Vorstellung, für mich wichtige veraltete Hardware auf einem einzigen modernen Notebook bzw. Rechner zu vereinen, komplett mit einer umfangreichen Softwarebibliothek, jederzeit auf Knopfdruck abrufbar, erfüllte mich mit einem wohligen Gefühl. An diesem kleinen Traum arbeite ich praktisch seit Jahrzehnten. Und die technischen Möglichkeiten werden von Jahr zu Jahr besser, weil die Prozessoren immer leistungsfähiger und die Festplatten immer größer werden.

Während ich etwa das Feld der Amiga- und Atari ST-Emulation, sowie der meisten Spielekonsolen von vor 1994 weitestgehend abgearbeitet und durchleuchtet habe, kam vor knapp 15 Jahren ein weiteres großes Thema auf meiner Agenda hinzu: PC-Emulation. Dabei mag es vordergründig zunächst schwachsinnig klingen, einen PC auf einem PC emulieren zu wollen. Doch so unlogisch ist das nicht. Der PC als Plattform ist mittlerweile so alt, ausdauernd und langlebig, dass er viele Äras und Iterationen von Hardwarestandards und Betriebssystemen durchlebt hat. Das ist zwar eigentlich fast überall so, aber nirgends waren die Schritte so groß wie hier: Die Spanne reicht mindestens von den ersten x86-Prozessoren in den IBM PCs von Anfang der 80er mit MS-DOS, über den 486ern, Pentiums, dem K5 und z.B. den Cyrix-Prozessoren Mitte der 90er mit Windows 3.x/Windows 95, bis hin zu deutlich modernerer Hardware wie Mehrkernprozessoren und vollständig multitasking- und multiuserfähiger Betriebssysteme wie Windows XP/Vista/7/8/10 und Linux. Und dabei habe ich nur einen ganz groben Querschnitt aufgezählt. Diese sich permanent verändernde Umgebung innerhalb der Plattform bringt es mit sich, dass Software, die beispielsweise heute noch tadellos läuft, morgen schon nur noch eingeschränkt mit Tricks zum Laufen gebracht werden kann, während sie übermorgen wegen Hardwareinkompatibilitäten und weggefallener Betriebssystemstandards überhaupt nicht mehr startet, und das ist nur völlig natürlich und irgendwo auch notwendig, denn manchmal müssen alte Zöpfe zum Wohl des Fortschritts abgeschnitten werden. Das haben wir bei Spielen und Programmen unter MS-DOS beobachtet, danach mit 16-Bit-Windows-Software, die heute garantiert nirgends mehr läuft, und inzwischen gehen auch 32-Bit-Programme allmählich unter. Gegensteuern kann man hier nur mit Kompatibilitätschichten, Virtualisierung und Emulation.

PC-Virtualisierung bzw. -Emulation gibt es schon sehr viel länger als ich mich damit befasse. „Bochs“ gibt es seit 1994 und „QEMU“ immerhin seit 2003. Mit beiden bin ich leider nie besonders gut klargekommen, sie sollen aber, in den richtigen Händen, äußerst leistungsfähige Werkzeuge sein. Bei den Virtualisierern erprobe ich VMware, VirtualBox und Virtual PC schon seit langem. Letzteres fand sogar in Form des vorkonfigurierten „Windows XP-Modus“ einst offiziell seitens Microsoft Einzug in Windows 7, um erwartete Kompatibilitätsprobleme zumindest abzufedern. Mit „DOSBox“ gibt es seit 2002 einen Emulator, der einen typischen DOS-Rechner mit allen Schikanen nachstellt, und der speziell für Spiele optimiert wird. Dieses kleine aber äußerst kräftige Tool ist so gut, dass es von Spieledistributionsplattformen wie GOG offiziell verwendet wird, um die Nutzung sämtlicher DOS-Spiele unter modernen Betriebssystemen zu ermöglichen. DOSBox emuliert den PC heute so akkurat und schnell, dass man im emulierten DOS sogar Windows 95 installieren und darunter Spiele spielen kann – leider mit diversen technischen Einschränkungen.

Soviel also zur Einleitung. Vor wenigen Monaten entdeckte ich eher zufällig einen weiteren Mitstreiter auf dem Gebiet der PC-Emulatoren: PCem. Dieses Programm ist vereinfacht gesagt das Windows-Gegenstück zu DOSBox, wenn auch noch lange nicht auf Windows beschränkt. PCem emuliert grundsätzlich eine ganze Vielzahl von alten Mainboards, Prozessoren, Grafikkarten, selbst einst beliebte 3D-Beschleuniger wie Voodoo und Voodoo2. Entsprechend lassen sich damit die allerersten PCs, bis hin zu PCs der Pentium MMX Ära emulieren. Die akkurate Low Level Emulation fordert jedoch ihren Tribut, so benötigt man zur Nachbildung meines damaligen 200 MHz Pentiums von 1997 heutzutage über den Daumen gepeilt knapp 4 GHz Taktrate auf einem einzelnen Kern, denn selbstredend lässt sich die Emulation eines Singlecore-Prozessors nicht einfach auf mehrere Kerne aufteilen. Das ist also mal eben das 20-fache an Leistung.

Das beste an PCem ist, dass er mit dem Ziel entwickelt wird, Spiele perfekt zu unterstützen, also einer der hardwareforderndsten Formen von Software, was mich insgesamt sehr begeistert hat. Wenn man den Gerüchten glauben durfte, soll die Voodoo2-Emulation inzwischen so brauchbar sein, dass hardwarebeschleunigte 3D-Spiele aus der Zeit kurz vor der Jahrtausendwende mit Abstrichen problemlos spielbar sein sollen. Dies wollte ich unbedingt selbst testen und so versuchte ich mich einmal an einer kleinen Demo-Installation, die einen halben Tag in Anspruch nahm.

Ich will hier an dieser Stelle bewusst nur einen Erlebnisbericht und kein Tutorial schreiben, weil die Installation leider relativ aufwändig ist, und es schon diverse brauchbare Anleitungen im Internet gibt. Der Aufbau einer lauffähigen Konfiguration in PCem ist nicht sehr intuitiv im Gegensatz zu DOSBox oder VirtualBox, aber die Mühe lohnt sich. So ist PCem nach der Installation leider völlig nutzlos, benötigt er doch eine ganze Reihe an BIOS-Dateien für die ganze Hardware, die man haben möchte. Die Verwendung derselben ist wohl nur so halblegal, die entsprechenden Dateien lassen sich aber an vielen Ecken finden. Hat man diese Hürde überstanden, darf man seinen emulierten Pentium zum ersten Mal einschalten und findet eine nicht bootfähige, unformatierte Festplatte vor. Nach einigen Fehlversuchen gelang es mir schließlich tatsächlich, mit Hilfe mehrerer Bootdisketten und meiner eigenen CD ein taufrisches Windows 98 SE zu installieren, das auch fehlerfrei bootete. Die größte Zeit aber beanspruchte die nervenaufreibende Schnitzeljagd im Internet nach Treibern für die SoundBlaster 16, der Voodoo2-Karte und DirectX 7.0, zudem generische Maus- und CD-ROM-Treiber, die ich ganz klassisch in die CONFIG.SYS und AUTOEXEC.BAT einpflegen durfte. Oh wie lange ich diese beiden Dateien schon nicht mehr gesehen habe. Nostalgie pur!

Das Betriebssystem machte einen stabilen, schnellen und vor allem makellosen Eindruck, im Gegensatz zu so mancher gleichförmiger Installation unter VMware Workstation, die mit Windows 9x oft schon beim Sound überfordert schien. Aber ich wollte mein neues altes System definitiv einer Feuerprobe unterziehen und beschloss daher, einen Klassiker aus meinen alten Tagen zu installieren, den ich wirklich sehr gerne und sehr lange gespielt habe: Need for Speed III: Hot Pursuit.
Die Installation von CD-Image verlief in PCem ausgesprochen gemütlich, und das Spiel startete schließlich (nach Korrektur der Hardwarekonfiguration und Installation noch fehlender Treiber) sogar ohne weitere Schwierigkeiten und plötzlich lief das actiongeladene Introvideo von NFS3 – fast ohne Ruckler. Eigentlich hatte ich erwartet, dass das Spiel mir zunächst via Dialogbox meldete, dass ich doch bitte die CD einlegen solle, so wie das früher (durch den CD-Kopierschutz) bei gebrannten Datenträgern ein generelles Thema war. Aber möglicherweise ist auch das in PCem gar kein Problem mehr.

Nun, was soll ich sagen. Schon kurz darauf drehte ich meine ersten paar Runden in der Corvette über meine Lieblingsstrecke, den Gebirgspass, in gnadenlosen Rangkämpfen gegen Lamborghinis, Ferraris, Aston Martins und anderen Sportwagen, teils auf der Flucht vor der Polizei, teils auch nur gegen die Zeit. Anfangs noch ein wenig wackelig mit etlichen Kollisionen, gewann ich mein altes Fahrgefühl bald wieder zurück und ehe ich mich versah, driftete ich wie vor über 20 Jahren mit Begeisterung in die Kurven, gab Vollgas auf den Geraden, versuchte die perfekten Bremspunkte zu finden, und schlängelte mich zwischen den gegnerischen Boliden hindurch auf dem Weg an die Spitze des Fahrerfeldes. Die Kompatibilität ist wie erwartet einwandfrei, es gibt keine Fehler oder grafische Glitches. Die Performance ist auf meiner Kiste nicht bahnbrechend, aber ausreichend schnell. Für die Standardauflösung des Spiels von 640×480 reicht es allemal, mehr ist nicht zu empfehlen. Die größte Schwierigkeit hierbei wird sein, dass die 3D-Beschleunigung paradoxerweise in Software emuliert wird, und so natürlich keine Vorteile von der Leistungsfähigkeit der physischen Grafikkarte erfährt. Dennoch gibt es spürbare Performanceverbesserungen durch den Einsatz der Voodoo2-Schnittstelle im Gegensatz zum Software-Renderer.

Die Demonstration war für mich ein voller Erfolg, vielleicht nicht komplett repräsentativ, aber in jedem Fall sehr beeindruckend. PCem erlaubt keine Festplatten-Snapshots wie bei Virtualisierungssoftware üblich, aber meine perfekt eingerichtete, unberührte Konfiguration habe ich für die Zukunft weggesichert und werde auf diese künftig regelmäßig zurückgreifen. Auch erwarte ich weitere Verbesserungen durch die jährlich erscheinenden, neueren Versionen von PCem, so dass das Retro-Spielvergnügen immer besser wird und auch die mit ziemlicher Sicherheit existierenden Grenzfälle unterstützt. Mal sehen welches Spiel ich als nächstes installiere. Vielleicht Interstate ’76. Es sollte jedenfalls ein echter Problemfall sein, der heute nur noch sehr schwer lauffähig gemacht werden kann.

Nach anfänglichen Zweifeln vor etlichen Jahren ob wir jemals in der Lage sein würden, die früheren Windows-Spiele (ab circa 1993 bis Anfang der 2000er) jemals lückenlos in spielbarer Form zu bewahren, abseits natürlich vom Weiterbetrieb der echten Legacy-Hardware, bin ich nun überzeugt, dass für Retrogamer wie mich endlich goldene Zeiten anbrechen. Mit DOSBox, PCem, VirtualBox, VMware und diversen anderen Lösungen, die glücklicherweise allesamt nicht nur für Windows sondern auch Linux und mitunter anderen Plattformen verfügbar sind, dürfte die sich stetig verbessernde Kompatibilität endlich flächendeckend ermöglichen, auch hartnäckige Fälle von Spielen perfekt spielbar zu machen und somit vernünftig zu erhalten. Und natürlich muss man sich auch nie wieder Sorgen über eine ewige Abhängigkeit von Windows machen, denn egal ob Spiele für DOS, Windows 95/98 oder XP: Heute läuft endlich (fast) alles überall. Und hey, mit Wine und Proton sind wir sogar schon für die Spiele danach wirklich gut aufgestellt, mit unzähligen Optimierungen und Verbesserungen, die monatlich dazukommen. Wahrlich goldene Zeiten sind das.

Und nun zu einer weiteren Folge von „Was hab ich mir eigentlich Tolles gekauft?“. Heute: GCW Zero

gcwzero

Neugierig geworden? Der GCW Zero ist ein Open-Source-Handheld, der vor fast eineinhalb Jahren bei Kickstarter geplant wurde. Das Gerät wurde gezielt für das sogenannte Retrogaming entwickelt, also zum Spielen alter Spieleklassiker. Dafür spricht zum Beispiel die bescheidene Display-Auflösung von gerade einmal 320×240 Pixeln, was allerdings viele Vorteile bietet, wenn man sowieso nicht mehr braucht. Schon im vergangenen Jahr plante ich die Anschaffung des mit 150 Euro vergleichsweise günstigen Geräts, doch leider war es immer genau dann ausverkauft, wenn ich gerade zuschlagen wollte, und wenn ich dann mal wieder pleite war, war es plötzlich in geringer Stückzahl verfügbar. Dieses finanzielle Katz-und-Maus-Spiel ging monatelang so. Es schien fast als wollte mich jemand daran hindern, das verflixte Ding zu bekommen.

In der Schachtel liegen neben dem Handheld noch eine kleine Stofftasche und ein Quickstart-Guide mit Tastenkombinationen. Seit Wochen bin ich immer mal wieder damit befasst, das kleine linuxbasierte Spielewunder zu testen. Mit dem Kauf bin ich sogar ganz zufrieden, nur ein paar kleinere und mittelkleine Macken haben meine Freude leicht getrübt, z.B. dass die Knöpfe sich gelegentlich verklemmen, ein Pixelfehler im Randbereich, oder die Tatsache, dass sich der Handheld manchmal nur mit dem Reset-Knopf starten lässt, für den man wiederum einen Kugelschreiber braucht. Irgendetwas scheint mit dem Power-Schalter nicht so ganz in Ordnung zu sein. Was mich außerdem stört, ist der umständliche Dateitransfer: nicht etwa Plug & Play, sondern mit Hilfe eines FTP-Clients oder der beiliegenden Software. Und weil sich damit zunächst ums Verrecken keine Verbindung aufbauen lassen wollte, musste ich irgendeinen alten NDIS-Treiber nachinstallieren. Bequem funktioniert anders. Wer diese Hürden mal bewältigt hat, kann allerdings loslegen.

Für das Gerät gibt es bereits eine ganze Reihe an portierten und speziell angepassten Emulatoren für die prominentesten modulbasierten Videospielkonsolen und -handhelds der späten 80er und frühen 90er Jahre, darunter Super Nintendo, Sega Megadrive, NES, Gameboy und Gameboy Advance. Mit dem GCW Zero kann ich jetzt solche Spiele-Evergreens wie Super Mario World, Super Metroid, Secret of Mana oder Zelda 3 ganz einfach unterwegs spielen. Äh, ich meine natürlich, ich kann damit frei verfügbare Open-Source-Spiele wie Snake oder Lunar Lander spielen, denn genau dafür wurde der GCW Zero nämlich entwickelt, und für nichts anderes. Installiert habe ich neben den ganzen mitgelieferten Mini-Spielchen aber zum Beispiel auch den freien Doom-Port Freedoom und Duke Nukem 3D in Form einer modifizierten Eduke32-Version, die beide sogar ganz annehmbar zu spielen sind mit den begrenzten Möglichkeiten zur Steuerung.

Mit dem GCW Zero wird ein ganz kleiner Kindheitstraum von mir Wirklichkeit: All die tollen Spiele, die man beispielsweise nur mit einer (für meine Taschengeldverhältnisse absolut unbezahlbaren) Nintendo- oder Sega-Konsole auf dem großen Fernseher spielen konnte (von dem ich ebenfalls nie einen eigenen hatte), lassen sich heute in der Hosentasche mitnehmen und auf einem relativ kleinen Gerät spielen. Die Akkulaufzeit von zehn Stunden ist wirklich ein Highlight und war auch einer der Kaufgründe für mich. Der GCW Zero funktioniert wohl auch als MP3-Player oder als Ebook-Reader, aber zugegebenermaßen gibt es dafür wesentlich bessere Geräte. Falls das Display dann doch mal zu klein wird, kann man das Ding an einen Fernseher anschließen. Und die Spiele? Ja, die liebe ich heute immer noch, jedes einzelne davon. Ich bin zum Glück keiner von denen, die ihre Kindheit irgendwann abgeworfen haben.