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Nette Kinderbuchverfilmung mit unheimlicher Puppe

legendevonpinocchioAls dem einsamen Puppenschnitzer Gepetto (Martin Landau) im Wald scheinbar zufällig ein Holzklotz vor die Füße fällt, beschließt er, daraus eine neue Holzpuppe zu schnitzen. Pinocchio (Jonathan Taylor Thomas), wie er die liebevoll gefertigte Marionette tauft, wird kurz darauf lebendig, und stellt das Leben des überraschten Gepetto gehörig auf den Kopf. Angetrieben von seiner schrecklichen Neugier und dem Wunsch, ein richtiger Junge zu werden, bringt Pinocchio seinen Vater in haarsträubende Situationen, und schließlich sogar vor die Anklagebank. Um einer langen Gefängnisstrafe zu entgehen, überlässt Gepetto dem windigen Geschäftsmann Lorenzini (Udo Kier) seine einzigartige Holzpuppe, der mit Hilfe dieser neuen Attraktion das große Geld machen will. Gepettos Jugendliebe Leona (Geneviève Bujold) kann ihn davon überzeugen, gemeinsam nach Pinocchio zu suchen. Dieser treibt sich inzwischen in einem merkwürdigen Vergnügungspark herum…

Steve Barron führte bei dieser Realverfilmung von 1996 Regie. Das Kinderbuch des italienischen Schriftstellers Carlo Collodi erlangte erst mit Hilfe des zweiten abendfüllenden Zeichentrick-Kinofilms der Walt Disney Pictures breite internationale Berühmtheit. Schon mindestens drei Generationen dürfte Pinocchio bekannt sein als verzauberte Marionette, die keine Fäden hat und die lieber ein richtiger Junge als ein Holzspielzeug wäre. Und dafür, dass seine Nase länger wird, wenn er lügt. Barrons Inszenierung orientiert sich stärker an der übersichtlicheren, etwas friedlicheren Disney-Fassung als am Buch. Um einen schwachen Versuch von Romantik in den Film einzubringen, wurde die Figur der Leona entworfen. Gepetto, der sich unbedingt einen Sohn wünscht, und Leona nehmen somit gemeinsam die Elternrolle für Pinocchio ein.

Jim Hensons Name gilt in der Branche üblicherweise als Gütesiegel für hochwertige Puppeneffekte, doch muss man Pinocchio vielleicht einfach als Ausnahme von der Regel betrachten: Das einzig Überzeugende an ihm ist die Mimik, allerdings wirkt das auf Erwachsene weniger süß als mehr unheimlich. Pinocchios betont menschliche Erscheinung leidet ein wenig am „Uncanny Valley“-Effekt. Sein Aussehen und seine Bewegungen wirken nicht künstlich genug für die Augsburger Puppenkiste, und nicht menschlich genug für ein Kind. Die Kombination aus Stop-Motion-, Bluebox- und animatronischen Effekten wirkt nicht billig, aber andererseits auch nicht allzu beeindruckend. Computergrafik wurde hauptsächlich für die animierte Grille Pepe verwendet. Jene Szenen entsprechen zwar irgendwo dem Stand der Technik von 1996, wirken aber dennoch sehr aufgesetzt und entbehrlich, schon da Pinocchio mit der Grille nicht richtig interagiert.

Schauspielveteran Martin Landau holt wahrscheinlich das Bestmögliche aus seiner Rolle heraus, und so sind Gepetto und Lorenzini die beiden stärksten Charaktere des Films. In die Rolle des letzteren schlüpft der bekannte B-Movie-Kultdarsteller Udo Kier, der mit seiner exzentrischen undurchsichtigen Ausstrahlung eigentlich dafür prädestiniert ist, als Bösewicht gecastet zu werden. Seine beiden Handlanger, ähnlich wie im Buch als Fuchs und Katze dargestellt, werden gespielt von Hollywood-Hampelmann Rob Schneider und Bebe Neuwirth, und bringen der Besetzung entsprechend eine eher alberne Komponente in den Film ein. Geneviève Bujold hat nur einige wenige Szenen, die kaum der Rede wert sind. Musikalisch bekommt der Film mit Stevie Wonder und Brian May etwas prominente Unterstützung. Leider kommen die Songs, ebenso wie der Score von Rachel Portman im Film sehr wenig zur Geltung.

Fazit: Steve Barrons Pinocchio ist ein fast rücksichtsloser Frechdachs, den man womöglich eine Spur kindgerechter hätte gestalten sollen. Einige Schwächen und Logikschnitzer muss man dem Drehbuch ebenso verzeihen, wie etwa die Szene, in der Pinocchio vom Wal verschluckt wird, und seinen Ziehvater absurderweise genau in diesem Wal vermutet. Bleibt nur zu sagen, dass „Die Legende von Pinocchio“ vielleicht nicht gar so zauberhaft wie sein Disney-Pendant ist, aber allemal ein netter, leicht verdaulicher Kinderfilm, der ohne viel Spannung auskommt.

Nicht das A und O, sondern das O und irgendein A

asterixobelixmajestaetWas macht man als großer römischer Feldherr, wenn man bereits ganz Gallien erobert hat und nun nicht mehr weiß wohin mit den vielen Legionen? Julius Cäsar jedenfalls entsendet sie direkt an die englische Küste, jenseits des Ärmelkanals, um dort seinen Feldzug fortzusetzen. Bekanntermaßen gibt es da aber noch ein einziges gallisches Dorf voller unbeugsamer Gallier, das den Römern permanent Widerstand leistet. Genau dorthin schickt Ihre wenig amüsierte Majestät, die Königin von England, den unerschrockenen britischen Gentleman Teefax (Guillaume Gallienne), um Hilfe gegen die Römer zu erbitten. Die beiden Vorzeigehelden Asterix (Édouard Baer) und Obelix (Gérard Depardieu) nehmen sich der Angelegenheit an und wollen bei der Gelegenheit den jungen rebellischen Grautvornix (Vincent Lacoste) zum Mann erziehen. Ein Fass voll Zaubertrank soll die Lösung für das Problem der Briten sein, doch das heimliche Vorbeischleusen des Fasses an den römischen Soldaten erweist sich als zu schwierig, und so verlieren Asterix, Obelix und Teefix die kostbare Fracht leider aus den Augen. Sie ahnen außerdem nichts von den finsteren und furchtlosen Normannen, die der Belagerung beiwohnen wollen um hinter das Geheimnis der Angst zu kommen. In der Not bietet Asterix an, aus einer speziellen Kräutermischung neuen Zaubertrank zusammenzubrauen.

Man wird wohl lange suchen müssen, um jemanden in unseren Breiten zu finden, der noch keinen einzigen aus der Vielzahl der Asterix-Bände gelesen und keine der Zeichentrick- und Realverfilmungen gesehen hat. Oder aber es handelt sich um einen Verächter der frankobelgischen Comicwelt. Die Erfinder Goscinny und Uderzo haben sich und ihrem Land mit den Abenteuern von Asterix und Obelix ein kleines Denkmal geschaffen. „Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät“ aus dem Jahr 2012 ist der vierte Teil der Filmreihe und der erste Asterix-Film von Regisseur Laurent Tirard. Er orientiert sich nah an der Comic-Vorlage bzw. am Zeichentrickfilm „Asterix bei den Briten“, zusätzlich enthält der Film Kernelemente aus „Asterix und die Normannen“. Vielleicht befürchtete man, ein einzelner Asterix-Band liefere nicht mehr genügend Witz und Inhalt für einen modernen Kinofilm.

Thematisch greift der Film sogar die eine oder andere gesellschaftlich sensiblere Angelegenheit auf und spricht so auch die vermeintliche homosexuelle Beziehung zwischen Asterix und Obelix an, die ja zusammen unter einem Dach leben. Und selbst nachdem dieses Missverständnis (mehr oder weniger) deutlich beseitigt ist, wird gnadenlos darauf Bezug genommen, dass sowohl Asterix als auch Obelix ewige Junggesellen sind, die in Sachen Liebe bisher weitestgehend versagten. Selten war Asterix selbstkritischer und nachdenklicher als hier. Darüber hinaus beschränken sich die Schwierigkeiten im Plot meist auf die im Film etwas überspitzt dargestellte kulturelle Kluft zwischen den stereotypischen Understatement-Inselbewohnern und den „ordinären“ Kontinentaleuropäern.

Unabhängig davon, was man unter den in Frankreich gegebenen steuerpolitischen Umständen von Darsteller Gérard Depardieu halten mag, so hat er doch schon von Beginn der Realverfilmungen an sehr gut in das Kostüm des grobschlächtigen aber liebenswerten Obelix gepasst. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass der Depardieu’sche Obelix der prominente komödiantische Klebstoff ist, der die Filmserie wirklich zusammenhält. Ihm gegenüber steht der mittlerweile dritte Asterix-Darsteller und der vierte Cäsar, woran wahrscheinlich sogar Fans der Filme schwer zu kauen haben dürften. Als einziger verbliebener Stammdarsteller von internationaler Bedeutung schafft es Depardieu kaum, die Qualität des Films zu halten, geschweige denn zu heben, zumal die jüngste Interpretation des Asterix nicht einmal im Ansatz wie ein überzeugender Asterix wirkt. Die Figur des Cäsar ist sogar so schlecht gecastet und dargestellt, dass ich ihn im Film vielleicht nicht erkannt hätte. Die übrigen Filmcharaktere haben einen eher geringen Wiedererkennungswert und sind meistens auch nur kurz zu sehen, so zum Beispiel Majestix und Gutemine.

„Im Auftrag Ihrer Majestät“ bedient sich der für die Asterix-Realverfilmungen typischen Anachronismen, pseudo-lateinischen Wortspiele und jeder Menge parodistischer Anspielungen auf berühmte Filme und die moderne Popkultur. Der Humor bewegt sich dabei exakt auf derselben Ebene wie der der Vorgängerfilme, unterscheidet sich in dieser Hinsicht also weder positiv noch negativ davon. Der übertriebene britische Akzent, über den man anfangs noch schmunzelt, geht einem in den zum Teil recht langen Dialogen schnell auf die Nerven. Ein bisschen „Generation Facebook“ bringt der jugendlich-naive Grautvornix mit, der damit zwar am wenigsten in den Film hinein-, aber diesem überraschenderweise die meisten guten Gags verpasst.

Fazit: Das französische Qualitätskino hat doch um einiges mehr zu bieten als das, und wer schon immer der Meinung war, dass die Realfilme eine Schmähung des Kunstwerks Asterix sind, den wird dieser vierte lauwarme Aufguss wohl am allerwenigsten vom Gegenteil überzeugen können. Allerdings sollte man den Film als das bewerten, was er eigentlich ist: Ein kurzweiliger, stellenweise etwas alberner Spaß für Familien mit Kindern, die nicht so sehr auf die filmische Qualität bedacht sind. Doch sollten die Kinder nicht mehr allzu jung sein, denn sonst stören sie sich vielleicht an den vielen unwitzigen (un-)romantischen Szenen.