Schlagwort-Archive: PC Games

Herr, wirf Hirn vom Himmel! Und wieder habe ich so ein seltsames, altes Spiel durchgespielt. Was soll nur aus mir werden? Offenbar hatte ich in meiner Jugend wohl eindeutig ein Faible für Underdogs was den Spielekonsum betraf. Wo für andere in meinem Alter das PC-Tagesprogramm hauptsächlich aus den Command & Conquers, WarCraft 2, StarCraft sowie Age of Empires bestand (die ich natürlich allesamt ebenfalls spielte), interessierte ich mich dagegen zumeist eher für sowas wie KKND 2, Seven Kingdoms, das zuletzt von mir durchgespielte Theme Hospital, und genau für jenes Spiel, um das es heute in diesem Artikel geht: Beasts & Bumpkins.

Kennt ihr nicht? Wundert mich gar nicht. Beasts & Bumpkins von Worldweaver Productions aus dem Jahr 1997 war kein übermäßig bekanntes Spiel. Tatsächlich war es objektiv gesehen nicht einmal ein besonders gutes Spiel. Das kleine Echtzeitstrategiespiel für Windows 95, das im tiefsten Mittelalter spielt, landete in der deutschen Spielepresse von den Wertungen her im tiefsten Mittelmaß. Ich lernte es nur zufällig durch eine Demo auf der Beilage-CD der PC Games kennen. Aber was soll ich sagen: Bei mir und meinen jüngeren Geschwistern löste dieses seltsame Spiele-Kleinod allgemeine Heiterkeit aus. Es war die Kombination aus einer wirklich niedrigen Einstiegshürde, einem angenehm gemütlichen Wuselfaktor, einer buntfröhlichen, kindgerechten Comicgrafik, und der deutschen, zwar nicht ganz so kindgerechten, aber allemal witzigen Vertonung. Hinzu kommt, dass die Demoversion sehr leicht war, und dem Spieler keine größeren Verrenkungen abverlangte. Wir haben diese Demo wieder und wieder gespielt, und es wurde eigentlich nie langweilig, obwohl die Anzahl verfügbarer Gebäude schon irgendwie kümmerlich war.

Beasts & Bumpkins gehört leider zu jenen Kandidaten, die in der Erinnerung ganz wunderbar waren, aber dann leider doch etwas von ihrem nostalgischen Glanz verlieren, wenn man sich Jahre später noch einmal in den Kopf setzt, sie endlich durchzuspielen. Damit sage ich nicht, dass das Spiel schlecht ist. Es hat zweifellos seine guten Seiten, und es hat seine nervigen schlechten Seiten – und zwar einige davon. Hätte ich rückblickend lieber was anderes spielen sollen? Nein. Aber bin ich froh, dass es nun vorbei ist? Eindeutig ja. Aber fangen wir lieber ein Stück weiter vorne an.

Erstmalig durchspielen wollte ich Beasts & Bumpkins mit seinen 30 (ungefähr einstündigen) Missionen im Mai 2011, also vor knapp 9 Jahren, und zwar in einer Windows XP-VM unter VirtualBox, was auch schon damals perfekt funktionierte. In meinem damaligen ersten Anlauf gelangte ich immerhin bis Mission 19, die mir dann leider ein wenig unfair erschien, und so verlor ich ganz typisch für mich das Interesse. Aber dabei konnte ich es nicht belassen, und so unternahm ich nun im Corona-Quasi-Lockdown einen erneuten Anlauf und startete wieder ganz am Anfang. Überraschenderweise hielt ich diesmal bis zum bitteren Ende durch, obwohl ich mir zwischendurch schon nicht mehr so sicher war, ob das noch was wird.

In Beasts & Bumpkins baut man ein kleines mittelalterliches Bauerndorf auf, indem man Hütten, einen Brunnen, Hühnerställe, Weizenfelder und eine Bäckerei errichtet, und allmählich dabei zusieht, wie die zufriedene bäuerliche Bevölkerung sich mehret. Ein Trademark des Spiels ist die übertrieben ulkige Vertonung aller Figuren, z.B. der Bauern, die die Spielweise des Spielers kommentieren („Unser Herr ist große Klasse!“), lautstark ankündigen, dass sie eine Familie gründen wollen („Ich weiß worauf ich Lust hätte…“ – „Jooou!“), oder nörgeln, dass das mit der Familiengründung noch nicht klappt („Ich brauche weibliche Gesellschaft!“). Einige würden jetzt gerne darauf hinweisen, dass diese Sprachsamples sich leider schnell abnutzen und irgendwann stören, aber das war bei mir nicht der Fall. Im übrigen haben die meisten Spiele dieses Problem in irgendeiner Form („Affirmative!“, „Yes, Sir!“, „Acknowledged!“ etc.).

Nachdem die Siedlung einigermaßen floriert, muss man sich unter anderem um das Rekrutieren von Lakaien, Bogenschützen, Rittern, Kavalieren und sogar Zauberern kümmern, um das Dorf zu verteidigen. Außerdem darf man ein Rathaus errichten, um Steuern einzutreiben, einen Kerker, um Kriminelle zu bestrafen, und etwa eine Kelterei nebst Apfelhain, um die Bauern in die richtige Stimmung zu bringen, was wiederum dem Bevölkerungswachstum zugute kommt. Und es gibt noch eine handvoll weiterer Gebäude, die mal mehr und mal weniger nützlich sind. Wer jetzt erwartet, dass ich von den Holzfällern erzähle, vom Steinmetz, von Minen, um Erze zu schürfen, einem Schmied, um Waffen herzustellen, von Fischern, Metzgern, Schweinezüchtern, Münzprägereien, irgendwelchen komplexen Wirtschaftskreisläufen, der wird enttäuscht sein, denn Beasts & Bumpkins ist sehr minimalistisch was die Ressourcen anbelangt. Es ist kein Siedler oder Anno. Es gibt im Grunde nur drei Ressourcen im Spiel: Bevölkerung, Geld und Nahrung.

Die Missionen des Spiels erzählen die Geschichte von Lord Mildew, dem Spieler, der aus seinem eigenen Land vertrieben wurde, und nun zurückkehrt, um die verlorenen Ländereien Stück für Stück zurückzuerobern und gegen den „Schwarzen Herrscher“ zu kämpfen. Dabei bemühen sich die einzelnen Missionen zwar durchaus um Abwechslung, die meisten jedoch beschränken sich auf das Zerstören eines feindlichen Dorfes oder einer Monsterplage. Das Spiel ist nicht besonders schwer in klassischem Sinne, schon wenn man davon ausgeht, dass mir das Durchspielen gelungen ist. Ich würde dem Spiel einen mittleren Schwierigkeitsgrad bescheinigen, da es zwar durch die ersten idyllischen Tutorial-Missionen Anfänger anlockt, später jedoch immer öfter auch sehr knifflige, nervtötende und unfaire Stellen in einigen Missionen offenbart, die einfach zum Haareraufen sind. Um diese zu überwinden, braucht man starke Nerven, Durchhaltevermögen und eine Menge Glück. Und mit Glück meine ich, einmal pro Minute das letzte Savegame zu laden, wieder und wieder.

Ein Teil des Schwierigkeitsgrads besteht aus meiner Sicht darin, dass die Dorfgemeinschaft in permanenter Gefahr schwebt, meist grundlos auszusterben. Oft steht man nur ratlos da und muss dem Verderben zusehen. Manchmal, einige Minuten nach Beginn einer Mission, kommt es vor, dass die wenigen verfügbaren Frauen im Dorf sich anscheinend dazu entschließen, lesbisch zu werden und keine Kinder mehr zu bekommen. Das ist vor allem deshalb extrem ärgerlich, weil das Spiel gerne in den kritischen Startphasen zu einem ungesunden Ungleichgewicht der Geschlechter tendiert, und der Fortbestand der übertrieben zerbrechlichen Dorfgemeinschaft an einem seidenen Faden hängt. Die Folge ist, dass die wichtigen letzten Dorfbewohner kinderlos alt werden und aussterben. Schon wieder unverschuldet verloren, Levelneustart. Geldprobleme hat der Spieler die meiste Zeit eher nicht, dafür aber permanent Personalprobleme. Die einzigen Dorfbewohner, die überhaupt Berufe erlernen können, sind die Männer, und daher auch die vielseitigste Ressource im Spiel. Da aber die meisten Berufstätigen in Beasts & Bumpkins dummerweise keine Familien mehr gründen (warum auch immer), ist das ganze Spiel eine ständige Gratwanderung zwischen Ausbildung und Aussterben. Zum Glück kann man jeden Berufstätigen mit einigen Mausklicks umständlich wieder in einen Bauern zurückverwandeln, aber solche Verzweiflungsmaßnahmen kommen oftmals zu spät. Wenn die Dorfbewohner plötzlich aussterben, hilft es, wenn man nochmal lädt und exakt denselben Part erneut spielt. Die Dorfbewohner zeigen sich dann manchmal fortpflanzungswilliger als zuvor.

Die andere Schwierigkeit besteht leider darin, dass die eigenen Kämpfer besonders in größeren Gruppen in gefährlichem Terrain kaum noch beherrschbar sind. Größere Soldatengruppen zu kontrollieren (vor allem im Kampf) ist ein unmögliches und absolut schmerzhaftes Unterfangen. Die widerspenstigen Einheiten sind wie Lemminge, man muss sie permanent im Auge behalten, sonst laufen sie jedem Angreifer meilenweit hinterher, die selektierte Gruppe stiebt plötzlich ohne Grund auseinander, gerne auch kopflos direkt in tödliche Fallen hinein (selbst wenn diese mit einem unübersehbaren Schild markiert sind), Die eigenen Soldaten bekämpfen den Gegner entweder nicht oder rennen ihm stur hinterher in den sicheren Tod, sie bleiben niemals dort wo man sie hingeschickt hat. Es machte mich desöfteren wahnsinnig. Wenn mal wieder die komplette Truppe aus purer Dummheit in eine explosive Falle gerannt ist, obwohl man ihnen ausdrücklich befohlen hatte, die Stellung zu halten, hilft leider nur noch schamloses Save Scumming.

Viele Missionen sind nur in den ersten 20 Minuten schwer, weil man oft am laufenden Band von Wölfen, Zombies, Riesenwespen, Fledermäusen, und der Armee der Nachbardörfer angegriffen wird, während man kaum in der Lage ist, eine stabile Population aufzubauen, geschweige denn Soldaten auszubilden. Ständiges, frustriertes Neustarten der Mission ist die Folge. Paradoxerweise hören die Angriffe oft auf, sobald man endlich mal eine halbwegs brauchbare Verteidigung etabliert hat, weil bis dahin sämtliche gegnerischen Einheiten längst beseitigt wurden. Die feindlichen Dörfer, am Anfang noch eine ernstzunehmende Gefahr, entpuppen sich bei Missionsende als Geisterstädte. Dann wenn es eigentlich am spannendsten werden sollte, ist der Rest der Mission leider nur noch simples Durchlaufen mit den eigenen Figuren bis zum Ziel. Meiner Meinung nach ließe sich so etwas auch umsetzen, ohne den Schwierigkeitsgrad noch weiter in die Höhe zu treiben.

Was ich an dem Spiel mag: Das Aufbauen der Dörfer macht Spaß, das Erkunden der nett eingerichteten Levelkarten, die knuffigen, kleinen Rätsel, das Suchen der Missionsziele, und auch die Kämpfe gegen die Wildnis und gegen feindliche Dörfer, sofern man dabei eine Progression erkennt und sie fair sind.
Was ich an dem Spiel hasse: Missionen mit gnadenlosen Zeitlimits, sowie die vielen Kämpfe gegen endlos generierte Monster, die permanent in das Dorf einfallen. Dabei gibt es keinerlei Fortschritt, man gewinnt in den Kämpfen nichts, es werden nur die eigenen Truppen permanent zerrieben, was sehr an den Nerven zehrt. Es ist nicht spannend, es ist nur lästig und ruiniert mir den Spielspaß. Beasts & Bumpkins hat dahingehend leider keine Option für ein gemütliches Endlos-Spiel im Siedler-Stil, sondern nur die vordefinierten Missionen, was ich sehr schade finde. Jedes Aufbauspiel hätte einen solchen Modus verdient.

Interessant sind die beiden Puzzlemissionen, in denen man mit sehr knappen Ressourcen in sehr begrenzter Zeit gegen eine scheinbare Übermacht ankämpfen muss. Hier geht es um richtiges Timing, richtige Ressourcenverwaltung und richtiges Glück. Zudem muss man in vielen Missionen ganz stilecht auf Pestepidemien vorbereitet sein, wenn es mit dem Abtransport der verstorbenen Einwohner hapert. Verliert man das eigene Dorf im falschen Moment aus den Augen, kann es sein, dass Gevatter Tod bereits umgeht und das Dorf kaum noch zu retten ist. Einige Bugs sind mir (wiederkehrend) im Spiel aufgefallen. Ein Scharfrichter hat sich irgendwie in einem Haus verfangen und dann das ganze Haus versehentlich durch das Dorf getragen, bis es sich an einem anderen Haus verkeilt hat. Witzigerweise nicht einfach nur ein Grafikbug, weil die Dorfbewohner von dem verkeilten Haus den Weg versperrt bekamen und das Haus auch markierbar war, während der ursprüngliche Bauplatz bis auf das Fundament leer blieb und auch nicht mehr bebaubar war. Mehrmals ist es mir außerdem passiert, dass ein Ritter oder ein Lakai sofort während der Ausbildung zu einem alten Mann wurde. Man konnte den grummeligen Greis quer über die ganze Karte laufen lassen, und offenbar konnte er auch nicht mehr an Altersschwäche sterben, jedoch war er bei der kleinsten Verletzung tot. Jeder Spieler wird alle paar Missionen auf diesen oder jenen Bug treffen, denn davon gibt es einige.

Beasts & Bumpkins hat nach wie vor einen besonderen Platz in meinem Spielerherzen, und ich mag die Vorstellung, diesen Teil meiner Jugend endlich abgehakt zu haben, denn zurückkehren werde ich dorthin sicher nicht mehr. Das Spiel ist witzig und nett anzusehen, mit seiner pixeligen 640×480-Comicoptik, aber es kann auch ziemlich schwerfällig und wirklich nervig sein. Für neugierige Retrospieler sicherlich noch einen Blick wert, aber ich denke nicht, dass man sich intensiv damit befassen muss, wenn man kein grundsätzliches Interesse an dem Spiel hat. Und damit schließe ich dieses Kapitel nun, um mich dem nächsten Spiel auf meiner Liste zu widmen.

Die britischen Entwickler von Stainless Games haben dieser Tage ihr neuestes Brutalo-Crash-Derby-Spiel Carmageddon Reincarnation offiziell veröffentlicht, nachdem es lange Zeit nur ein Early-Access-Titel war. Als langjähriger Fan der Carmageddon-Spielereihe wollte ich mir die Gelegenheit, ein aufpoliertes Remake heute noch einmal spielen zu können, nicht entgehen lassen. Als die erste Demoversion des Ur-Carmageddon 1997 auf einer Beilage-CD der Spielezeitschrift „PC Action“ enthalten war, wusste ich zuerst noch gar nicht, was ich da eigentlich vor mir hatte – bis mich der Reiz der Spielidee endgültig packte. Mit Destruction Derby oder Twisted Metal gab es bisweilen vereinzelte Konkurrenz, aber an Carmageddon kam für mich kein anderes Spiel heran.

Eine meiner ersten Missionen seinerzeit auf meinem brandneuen PC war es, das eklige Demo-Zeitlimit aus der Demoversion mit einem Hexeditor und der grenzenlosen Geduld eines spielesüchtigen Teenagers herauszupatchen, damit ich die stark eingeschränkte Version halbwegs ungestört spielen konnte. Dies gelang mir leider nur teilweise. Witziger war es, die dutzenden Konfigurationsdateien des Spiels zu manipulieren, und so manche Fahrzeuge entweder federleicht oder schwer wie ein Flugzeugträger zu machen. Die Spielphysik honorierte solche Versuche mit teils aberwitzigen Schadensmodellen bei den Karambolagen. Und schließlich schrieb ich sogar einen kleinen Patch, der die blöden Roboter aus der deutschen Zensurversion durch die menschlichen Fußgänger aus dem Original austauschen konnte. Der Patch fand im Freundeskreis relativ großen Anklang, und ich konnte ihn auch noch gebrauchen, nachdem ich mir endlich die Vollversion des Spiels bestellen konnte.

Nachdem das kleine Kickstarter-Projekt Carmageddon Reincarnation jetzt offiziell fertig ist, versuchen sich manche Online-Spielemedienportale irgendwie an einer Bewertung des Spiels, und es scheint als wollten sie sich alle gegenseitig in Schmäh-Superlativen überbieten. In einem Testvideo der PC Games ist gar von „der Grafik von 1928“ die Rede. Andernorts wird ernsthaft erklärt, dass die Grafik sich ja kaum weiterentwickelt habe. Ich bin sicher, diese Leute haben das Original nie gespielt, oder haben wenigstens völlig verdrängt, wie dieses eigentlich aussah: Dank dichtem Nebeleffekt war die Sichtweite auf vielleicht zehn Meter beschränkt, die Fahrzeuge teilweise kaum texturiert, die Levelarchitektur grobschlächtig und schmucklos, die hohe Auflösung auf 640×480 Pixel beschränkt, die selbst auf einem Pentium 200 damals nicht flüssig spielbar war.

Dass sich die Grafik seither nicht weiterentwickelt hat, ist dummes Zeug bzw. eine dreiste und billige Lüge, und das lässt mich doch sehr am Urteilsvermögen und an der Objektivität der Redakteure zweifeln. Ich darf wohl eher davon ausgehen, dass diese Personen ihre generelle Ablehnung des gewaltbetonten Spiels unbedingt auf sämtliche Aspekte der Wertung projizieren wollten. Daher wird in einer Tour auch über die schlechte KI, das schlechte Gameplay, die schlechte Musik, die schlechten Gewaltdarstellungen und die schlechten Spielmodi hergezogen, damit am Ende nicht etwa doch noch der Verdacht aufkommt, das Spiel sei wenigstens noch etwas für Fans.

carmageddon_reincarnation3

Keinen dieser extremen Kritikpunkte kann ich so nachvollziehen. Carmageddon Reincarnation macht trotz seiner Fehler irre viel Spaß. Inzwischen habe ich so einige wirklich witzige und auch einige teils frustrierende Spielstunden mit dem Remake verbracht. Die KI ist manchmal etwas dusselig, aber dafür bin ich eigentlich sogar dankbar, denn niemand mag perfekte Computergegner. Meistens ist die KI knallhart. Carmageddon Reincarnation war ein vergleichsweise kleines Kickstarter-Projekt mit kleinen, aber realistischen Zielen, um Fans der Spielereihe das Spielerlebnis des Original-Carmageddon auf moderner Hardware nach all den Jahren nochmals zu ermöglichen – große Veränderungen am Gameplay waren weder erwünscht noch geplant, und das erkennt man mitunter daran, dass sie viele Fahrzeuge und Strecken des Originals in aufwändig überarbeiteter Form übernommen haben.

Das Entwicklerteam war relativ überschaubar und das Ergebnis meines Erachtens dafür umso beeindruckender. Wenn man die Vorlage zum Vergleich heranzieht, so wie das eigentlich gedacht ist, erkennt man, dass das Remake in jeder Hinsicht gelungen ist, sogar und vor allem aus grafischer Sicht. Wenn die Grafik in Carmageddon Reincarnation also von 1928 ist, ist die in Minecraft dann vielleicht von 1528? Und selbst wenn, wieso muss man heute überhaupt noch Spiele für „schlechte“ Grafik abwerten?

Vor wenigen Jahren sind Indiespiele zum Massenphänomen geworden, und waren nicht länger eine unsichtbare Randerscheinung, die eines Testberichts nie würdig gewesen wäre. Doch wie bewertet man solche Spiele, die bewusst auf Einfachheit setzen, angesichts einer immer höher gelegenen Messlatte. Wollen wir einem Millionen-Dollar-Grafikblender wie Crysis 3 grundsätzlich Höchstwertungen geben, allein weil die CryEngine drinsteckt, um dann in Konsequenz jedes 1-Mann-Indie-Spiel mit Retropixel-Optik abzustrafen, weil es technisch einfach in keiner Weise mithalten kann? Wollen wir angesichts Erfolgsgeschichten wie der von Minecraft Spiele weiterhin großteilig anhand ihrer teuren Grafikpracht beurteilen, oder sollte man die optische Präsentation dem eigentlichen Spielspaß nicht vielleicht doch deutlich unterordnen, oder die Spielegrafik nicht wenigstens bezüglich völlig anderer Gesichtspunkte messen? Sollten wir nicht allmählich zu der Einsicht gelangen, Spiele, genau wie Filme, an ihrer jeweiligen Zielgruppe, im Kontext ihrer Zeit und ihrer technischen und personellen Möglichkeiten zu bewerten, da man sonst etwa Kinderfilme grundsätzlich schlecht bewerten müsste, weil ihre Handlung so primitiv und naiv ist, oder Schwarzweißfilme wegen ihrer miesen Bildqualität und ihrer Farbarmut, oder Stummfilme wegen ihrer mangelhaften Dialoge.

Und was ist mit der übertriebenen Gewalt in Carmageddon Reincarnation? Oh bitte. Wer sich im Jahr 2015 noch darüber echauffiert, dass in einem Computerspiel Autos zu Schrott gefahren und Menschen mit Vollgas überfahren werden, der soll sich bitte wieder in seine Höhle verkriechen. Darüber sind wir längst hinaus und das soll bitte auch so bleiben. Noch ist niemand bei virtuellen Verkehrsunfällen oder an Pixelblutverlust gestorben. Wer trotzdem Probleme hat „sein Frühstück unten zu behalten“, wie der werte Herr im PC-Games-Video sagt, der darf gerne weiter seine preisgekrönten und gewaltfreien Spiele wie GTA 5 spielen. Oh wait.

Mit Computerzeitschriften bin ich als Kind schon sehr früh in Kontakt gekommen. Praktisch seit den ersten „ST-Computer“-Heften um 1989/1990 und dem TOS-Magazin Anfang der 90er, die mein Vater regelmäßig vom Kiosk geholt hatte, habe ich – meistens den Spieleteil oder die BASIC-Listing – monatlich regelmäßig was zu lesen gehabt. Ab 1993 wurden stattdessen Amiga-Zeitschriften gekauft, z.B. das TOS-Schwestermagazin „Amiga Plus“, oder die „Amiga Games“ vom Computec-Verlag. Es folgte eine Phase, die von 1994 bis 1996 andauerte, in der ich Nintendo- und Sega-Zeitschriften sammelte – ohne irgendeine Spielekonsole zu besitzen. Darunter waren die Total!, die Super Pro, Sega Pro, Mega Fun und wie sie noch alle hießen. Das waren echt bunte Hefte.

Schließlich die letzte Phase: Ab 1996 habe ich begonnen PC-Magazine zu kaufen, wieder ohne einen eigenen PC zu besitzen. In meinem Zimmer standen weiterhin „nur“ der Atari ST und der Amiga 1200. Das mit dem PC ergab sich nach ein paar Monaten zum Glück. Unter den Heften waren zunächst eher unbekannte Shareware-Magazine, bis ich dann die PC Games, die PC Action, PC Joker, die Power Play und die PC Player entdeckte, die alle in willkürlicher Reihenfolge gekauft wurden. Anfang 1998 habe ich versehentlich die GameStar aus dem Regal geholt und diese sofort zu meinem Lieblingsmagazin erklärt. Die vier verpassten Hefte konnte ich nachbestellen, für alle Folgenden bin ich jeden Monatsanfang zum Kiosk marschiert. Bis 2003 hatte ich ohne Ausnahme alle Ausgaben, dann verlor ich das Interesse an Printmagazinen.

Um diese spannende Geschichte abzuschließen: Der GameStar-Kult war eine witzige Sache und ich erinnere mich sehr gerne an die Abenteuer des Raumschiff GameStar und an jeden einzelnen der Redakteure. Auch heute noch verfolge ich so in den Augenwinkeln, was die Leute inzwischen so machen. Als kleine Randnotiz: Die „Happy Computer“ habe ich damals zwar nie gelesen, aber einige Atari ST -Spielereviews von Heinrich Lenhardt wurden um 1990 auch im TOS-Magazin abgedruckt.

Von genanntem Spieleveteran gibt es einen passend benannten Spieleveteranen-Podcast, den er zusammen mit anderen Bekanntheiten des deutschen Spielejournalismus (z.B. Boris Schneider-Johne, Anatol Locker und Jörg Langer) mit Gesprächsstoff beliefert. Zwei andere ehemalige GameStar-Redakteure sind Christian Schmidt und Gunnar Lott (dem ich bei einem Vorstellungsgespräch bei Gameforge über den Weg gelaufen bin). Die beiden betreiben gemeinsam den Podcast „Stay Forever„, in dem es hauptsächlich um Spielenostalgie geht.

Ansonsten möchte ich auf den Blog „JörgSpielt“ des Gründers und erstem Chefredakteur der GameStar Jörg Langer hinweisen. Das ist zwar kein Podcast, aber dennoch sehr interessant für alte GameStar-Fans. Schließlich bleibt noch der Blog dreisechzig.net von Boris Schneider-Johne persönlich, der neben Heinrich Lenhardt zu den ersten echten deutschen Spieleredakteuren gehört, und den viele noch aus den frühen Jahren der PC Player kennen.