Gestern las ich einen Artikel der Autorin Eva Schumann, der mir wirklich gruselig erschien. Im Prinzip wollte sie die vermeintliche Argumentation der ACTA-Kritiker zerpflücken, die sie hauptsächlich als dumm-jugendliche Piratenwähler und damit ziemlich naiv als Filmdownloader hinstellen wollte. Also alles ganz frei von Unterstellungen und Vorurteilen. Sie beschreibt darin ihre Sichtweise über ACTA als Urheber, und dass sie schon durch ihren Beruf berechtigte Gründe habe, am bisherigen Urheberrecht festzuhalten. Wer ACTA ablehnt, der wolle offenbar nur das Urheberrecht abschaffen und illegale Downloads legalisieren. Dass die europaweiten Proteste gegen ACTA nicht allein damit zusammenhängen, dass hier Menschen um ihre geliebten Torrents und Rapidshare-Downloads bangen, das wurde ihr auf Google+ schon deutlich gemacht. Ich fand allerdings zwei, drei ihrer Punkte sehr kurios, die noch nicht übermäßig oft angesprochen wurden, denn ihr Artikel enthält für meinen Geschmack doch stellenweise ziemlich viel Fünününü, wenn sie davon spricht wie hart das Leben einer glücklosen Autorin ist, die vier(!) Monate an einem Buch schreibt. Mal davon abgesehen, dass sie sehr undifferenziert über eine ganze Generation von Internetusern urteilt und von Enteignung spricht, wenn die Leute, wie auch ich, fordern, dass das Urheberrecht modernisiert (nicht abgeschafft) gehört, spricht sie im restlichen Artikel einige Themen an, die offenbaren, dass sie eine etwas verdrehte Sicht der Dinge hat.
Es steht jedem frei, zu schreiben, komponieren, fotografieren und seine Werke als frei zu deklarieren (GNU-Lizenz für freie Dokumentation). Doch ich möchte vom Schreiben leben können.
Die Menschen möchten vermutlich viel. Ich würde mein Geld vielleicht auch lieber als Schauspieler verdienen, aber das kann ich eben nicht, denn mich würde niemand dafür bezahlen, höchstens als Laiendarsteller oder Statist in irgendeiner billigen Fernsehserie. Wenn ich es dennoch versuchen würde, und es nicht klappt, darf ich mich dann beklagen? Wenn ich mich nun ab heute als Autor bezeichne und Bücher schreibe, die niemand kauft, darf ich dann über die verkorkste Gesellschaft schimpfen, die mich um mein verdientes Geld bringt? Wenn ich von dem, was mein selbstgewählter Beruf mir einbringt, kaum leben kann, wäre es dann nicht eigentlich besser, wenn ich einer anderen Beschäftigung nachgehe, die für mich rentabler ist? Nicht jedem ist es vergönnt, sich allein dem zu widmen, was ihm Spaß macht. Das haben schon viele andere vorher lernen müssen, wieso Frau Schumann nicht auch? Als ich 14 war, wollte ich immer Spieletester werden. Wenn es aber niemanden gibt, der mich fürs Spieletesten anständig bezahlt, dann muss ich das eben in meiner Freizeit oder im Urlaub machen, und mir einen anderen Job suchen. Mich nun einfach selbst als Spieletester zu bezeichnen, und zu verlangen, dass das schon reichen wird, löst das Problem nicht, dass meine Dienste als Spieletester offenbar niemand braucht. Heute betreibe ich einen kleinen Blog, von dem ich ebenfalls nicht leben kann, wieso gehe ich nicht eigentlich davon aus, dass mir das Bloggen zum Leben reichen können sollte? Ich möchte doch so gern vom Bloggen leben können…
Etwas ganz anderes an der Sache will mir aber so gar nicht gefallen. Was soll ich von der Idee halten, dass jemand Bücher schreibt, damit er davon leben kann? Was sind das für Bücher, die jemand in regelmäßigen Abständen veröffentlichen muss, damit er nicht verhungert? Das erinnert mich an Fließbandproduktion. Denken sich Künstler „Verdammt, ich hab nichts mehr zu Essen im Kühlschrank und kein Geld mehr auf dem Konto, ich muss schnell ein Bild malen und verkaufen“? Das kann doch der Qualität der Arbeit in keinster Weise zuträglich sein. Ein Buch schreibt man doch, wenn man denkt, dass man etwas hat worüber man unbedingt schreiben müsste. Ein Bild male ich erst dann, wenn ich eine Eingebung habe. Wenn meine Intention für das Schreiben von Büchern die ist, dass ich unbedingt davon leben können muss, dann kann doch dabei nur Mist rauskommen – und zwar viel davon, denn wenn das Buch sich – aus gutem Grund – nicht richtig verkauft, dann muss ich ja sofort ein zweites und ein drittes Buch schreiben, wo einem anderen (erfolgreichen) Autor finanziell gesehen ein einziges Buch gereicht hätte, um seinen Esstisch für Jahrzehnte zu decken. Noch ein Grund mehr, warum das Schreiben von Büchern doch besser in der Freizeit geschehen sollte, also genau da wo man sich keine Sorgen um seine Einkünfte machen muss.
[…] aber ich will, dass Gesetze auch im Internet gelten – allerdings gehören die auch mal eindeutig für das Internet ausgelegt und kommuniziert, statt User und Publisher in Fallen laufen zu lassen, in der Hoffnung, dass Gerichte alles irgendwann klären werden, während sich die Politik irgendwo versteckt. Aber grundsätzlich: Wenn ich die Situation auf ein Gasthaus übertrage: Von einem Wirt verlange ich doch auch, dass er dafür sorgt, dass in seinem Laden das Gesetz eingehalten wird, dass er dort keinen Drogenhandel duldet und Kindern keinen Alkohol verkauft. Warum soll man das nicht auch von einer Internetplattform verlangen können.
Nun bringt Frau Schumann ein sehr amüsantes Beispiel, über das ich lachen musste. Gehen wir einmal davon aus, dass dieses Gasthaus in irgendeinem Land steht, dann wird der Gastwirt selbstverständlich die Gesetze, die es in diesem Land gibt, befolgen müssen, da er sonst mit Konsequenzen rechnen muss. Wenn also Alkohol für Kinder und Drogenhandel in diesem Land verboten sind, dann sollte der Wirt sich tunlichst danach richten. Aus diesem Grund ist das Beispiel eher unpassend: Würde dieses Gasthaus nun nämlich so gigantisch groß sein, dass es die gesamte Welt umspannt, die Gesetze welchen Landes sollte man dann darin befolgen? Die aus dem der Gastwirt kommt? Die aus dem der Gast kommt? Die des Landes auf dem der Stuhl steht, auf dem man sitzt? Die in dessen Einzugsbereich man zufällig gerade stand, als man das Gesetz brach? Die aus dem das Essen kommt, das ich mir bestellt habe? Ich denke es sollte jedem klar sein, worauf ich hinaus will.
Wer darf hier festlegen, wessen Gesetz es war, das ich gebrochen haben soll? Vielleicht habe ich ja nur die Gesetze eines völlig anderen Landes penibel genau befolgt? Was für den einen Gast illegal ist, ist für den anderen völlig legal. Wofür der eine Gast die Todesstrafe erwarten kann, mag für einen anderen Gast kaum der Rede wert sein. Es gibt keine eindeutigen Gesetze für das Internet, da es keine globalen Gesetze gibt. Die für uns selbstverständlichsten Richtlinien haben auf der anderen Seite der Erde womöglich überhaupt keine Bedeutung – und umgekehrt. Das fängt ja schon bei Dingen wie den Menschenrechten an. Bei einer globalen Erscheinung wie dem Internet kann man nicht so einfach nationale Gesetze anwenden. Das ist vielleicht für Menschen schwer zu verstehen, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, und sich so eine „Welt“ kaum vorstellen können. Wenn 100 Menschen eine (in Deutschland urheberrechtlich geschützte) Datei herunterladen, dann kann man nicht die 17 deutschen User nach deutschem Recht bestrafen, die 23 Amerikaner nach US-Gesetzgebung, 14 Japaner werden in Japan angeklagt, sieben Afrikaner gehen straffrei aus, und im Iran wird jemand wegen Besitzes von unzüchtigem Filmmaterial gesteinigt, weil es sich vielleicht um einen Pornofilm mit homosexuellem Inhalt handelt, usw. So funktioniert das einfach nicht. Zuerst müssten Gesetze her, die weltweit uneingeschränkt Gültigkeit haben.
[…] und zwar sollte Illegales in Deutschland erst gar nicht angeboten werden dürfen, statt den überforderten Nutzer oder Publisher ins Verderben sausen lassen. Da sollte sich die Politik endlich mal dran setzen und die Regeln formulieren.
Hier noch einmal derselbe Käse. Illegales DARF ja in Deutschland auch erst gar nicht angeboten werden, dafür sorgt schon die Tatsache, dass es illegal ist. Aber das Internet ist eben nicht Deutschland. Das scheint die Autorin nicht zu begreifen. Es müsste der Politik also entweder gelingen, international gültiges Recht zu schaffen, das auch im hintersten Winkel der Erde durchgesetzt wird, oder man fängt eben damit an, die Ländergrenzen im Internet klarer abzustecken. Und gegen letzteres bin ich ganz entschieden. Ersteres wäre sicher wünschenswert, aber wohl eher Utopie.