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Und nun zu einer weiteren Folge von „Was hab ich mir eigentlich Tolles gekauft?“. Heute: GCW Zero

gcwzero

Neugierig geworden? Der GCW Zero ist ein Open-Source-Handheld, der vor fast eineinhalb Jahren bei Kickstarter geplant wurde. Das Gerät wurde gezielt für das sogenannte Retrogaming entwickelt, also zum Spielen alter Spieleklassiker. Dafür spricht zum Beispiel die bescheidene Display-Auflösung von gerade einmal 320×240 Pixeln, was allerdings viele Vorteile bietet, wenn man sowieso nicht mehr braucht. Schon im vergangenen Jahr plante ich die Anschaffung des mit 150 Euro vergleichsweise günstigen Geräts, doch leider war es immer genau dann ausverkauft, wenn ich gerade zuschlagen wollte, und wenn ich dann mal wieder pleite war, war es plötzlich in geringer Stückzahl verfügbar. Dieses finanzielle Katz-und-Maus-Spiel ging monatelang so. Es schien fast als wollte mich jemand daran hindern, das verflixte Ding zu bekommen.

In der Schachtel liegen neben dem Handheld noch eine kleine Stofftasche und ein Quickstart-Guide mit Tastenkombinationen. Seit Wochen bin ich immer mal wieder damit befasst, das kleine linuxbasierte Spielewunder zu testen. Mit dem Kauf bin ich sogar ganz zufrieden, nur ein paar kleinere und mittelkleine Macken haben meine Freude leicht getrübt, z.B. dass die Knöpfe sich gelegentlich verklemmen, ein Pixelfehler im Randbereich, oder die Tatsache, dass sich der Handheld manchmal nur mit dem Reset-Knopf starten lässt, für den man wiederum einen Kugelschreiber braucht. Irgendetwas scheint mit dem Power-Schalter nicht so ganz in Ordnung zu sein. Was mich außerdem stört, ist der umständliche Dateitransfer: nicht etwa Plug & Play, sondern mit Hilfe eines FTP-Clients oder der beiliegenden Software. Und weil sich damit zunächst ums Verrecken keine Verbindung aufbauen lassen wollte, musste ich irgendeinen alten NDIS-Treiber nachinstallieren. Bequem funktioniert anders. Wer diese Hürden mal bewältigt hat, kann allerdings loslegen.

Für das Gerät gibt es bereits eine ganze Reihe an portierten und speziell angepassten Emulatoren für die prominentesten modulbasierten Videospielkonsolen und -handhelds der späten 80er und frühen 90er Jahre, darunter Super Nintendo, Sega Megadrive, NES, Gameboy und Gameboy Advance. Mit dem GCW Zero kann ich jetzt solche Spiele-Evergreens wie Super Mario World, Super Metroid, Secret of Mana oder Zelda 3 ganz einfach unterwegs spielen. Äh, ich meine natürlich, ich kann damit frei verfügbare Open-Source-Spiele wie Snake oder Lunar Lander spielen, denn genau dafür wurde der GCW Zero nämlich entwickelt, und für nichts anderes. Installiert habe ich neben den ganzen mitgelieferten Mini-Spielchen aber zum Beispiel auch den freien Doom-Port Freedoom und Duke Nukem 3D in Form einer modifizierten Eduke32-Version, die beide sogar ganz annehmbar zu spielen sind mit den begrenzten Möglichkeiten zur Steuerung.

Mit dem GCW Zero wird ein ganz kleiner Kindheitstraum von mir Wirklichkeit: All die tollen Spiele, die man beispielsweise nur mit einer (für meine Taschengeldverhältnisse absolut unbezahlbaren) Nintendo- oder Sega-Konsole auf dem großen Fernseher spielen konnte (von dem ich ebenfalls nie einen eigenen hatte), lassen sich heute in der Hosentasche mitnehmen und auf einem relativ kleinen Gerät spielen. Die Akkulaufzeit von zehn Stunden ist wirklich ein Highlight und war auch einer der Kaufgründe für mich. Der GCW Zero funktioniert wohl auch als MP3-Player oder als Ebook-Reader, aber zugegebenermaßen gibt es dafür wesentlich bessere Geräte. Falls das Display dann doch mal zu klein wird, kann man das Ding an einen Fernseher anschließen. Und die Spiele? Ja, die liebe ich heute immer noch, jedes einzelne davon. Ich bin zum Glück keiner von denen, die ihre Kindheit irgendwann abgeworfen haben.

diskettenWährend sich unsere Bundesregierung erneut mit ihrem eklatanten Technikunverständnis in aller Öffentlichkeit nicht nur beim eigenen Volk sondern auch in den Nachbarländern blamiert, indem sie die De-Mail trotz kryptographischer Fehlkonzeption offiziell als sicher definiert und zum verbindlichen Kommunikationsmittel erklärt, lese ich einen höchst erfreulichen Artikel, den die Piratenpartei freundlicherweise verlinkt hat. Direkt aus der Kategorie „Das sag‘ ich doch schon die ganze Zeit“:

Illegale Raubkopien: Warum Software-Piraten unsere Spiele-Kultur retten

Auch wenn ich GIGA nur ungern als Quelle nenne, der Artikel ist super geschrieben. Ich könnte es kaum besser ausdrücken, obwohl ich genau das praktisch seit Jahren versuche. Für alle diejenigen, die den Artikel nicht lesen wollen, werde ich dennoch die Kernaussage hier „kurz“ zusammenfassen, weil so etwas nicht unerwähnt bleiben darf.

Spiele, genau wie Filme, Musik und Literatur, sind ein Kulturgut. Und Kultur unterliegt der ständigen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten, wenn sie nicht in irgendeiner Form erhalten wird. Wenn wir mal einen Blick auf das Medium Film zum Vergleich werfen: Viele sehr frühe Schwarzweiß-Filme aus der Stummfilm-Ära sind heute unwiederbringlich verloren, weil es keine Kopien mehr davon gibt. Wir wissen nur noch davon, dass sie mal existiert haben. Den Stummfilmklassiker „Nosferatu“ gäbe es heute überhaupt nicht mehr, wenn nicht Menschen geistesgegenwärtig und gegen geltendes Recht davon illegale Kopien gemacht hätten, denn der Film wurde in Deutschland auf Grund eines Rechtsstreits vernichtet. In der Welt der Spiele ist das kaum anders. Raubkopierer werden von Spieleentwicklern und Publishern als größtes Übel bekämpft, vielleicht gar nicht zu Unrecht, aber dann, wenn die Spiele zu alt geworden sind, um den Firmen noch Geld einzubringen, werden sie lieblos abgeworfen als wären sie wertloser Softwaremüll, und die Gesetzeslage verhindert, dass sich jemand anderer darum kümmern dürfte.

An diesem Punkt bin ich eben ganz anderer Meinung. Es müssen Gesetze her, die das Verwaisen von Softwareprodukten verhindern. Als selbsternannter Softwarehistoriker bin ich erfreut über die sehr aktive Abandonware-Szene und die vielen Emulator-Entwickler und ROM-Dumper. Aber alles davon bewegt sich zumindest in einer rechtlichen Grauzone. Abandonware ist nicht legal, aber das sollte sie doch eigentlich sein! Wenn ein Spiel nicht mehr käuflich zu erwerben ist, dann sollte zumindest jemand soviel Anstand haben, das Spiel freizugeben. Im Moment machen das nur die Raubkopierer, und die machen das, um diese Spiele für die Nachwelt zu bewahren, immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass sie damit gegen das Gesetz verstoßen müssen. Was meint ihr eigentlich wieviele C64-, Atari-, Amiga- und MS-DOS-Spiele es heute schon nicht mehr gäbe, wenn wir uns immer nur brav an die Gesetze hielten?

Auch ein zweiter Punkt wird in dem Artikel angesprochen, und auch wenn es vermutlich bald niemand mehr von mir hören will: Drastische DRM-Maßnahmen verhindern nicht nur Raubkopien, sie verhindern auch, dass dieses Spiel in 20 oder 30 Jahren noch gespielt werden kann. Nur weil Cracker dazu in der Lage sind, den Kopierschutz von Spielen zu entfernen, ist es uns möglich, Spiele auch Jahrzehnte später noch zu starten. Sobald die DRM-Mechanik so tief in das Spielgeschehen eingewoben ist, dass sie sich nicht mehr entfernen lässt, bekommt das Spiel das, was der Publisher u.a. damit erreichen wollte: eine künstlich eingebaute Lebensdauer, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Sobald jemand am anderen Ende die Server abschaltet, geht für das Spiel endgültig das Licht aus.

Raubkopierer sind also Verbrecher, zumindest wenn man den Kinoverbänden bei ihrer berüchtigten PR-Kampagne glauben schenken wollte. Dass das eine dreiste Lüge ist, das weiß inzwischen hoffentlich jeder. Juristisch gesehen sind Raubkopierer nämlich definitiv keine Verbrecher. Aber wer erwartet schon, dass das jemals richtiggestellt werden müsste, denn wer setzt sich schon gerne für Verbrecher ein. Raubkopierer sind eigentlich die einzige Instanz, die sich um die absolut nötige Langzeitarchivierung vergessener Spiele kümmert. Und was lernen wir daraus, ganz egal ob im Falle der De-Mail oder zum Urheberrechtsschutz bei verwaisten Werken? Nur weil etwas Gesetz ist, ist es trotzdem noch lange nicht richtig.