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Einen epischeren Titel konnte ich für diesen Beitrag nicht finden. Das ist nicht etwa nötig, weil mein Beitrag so unbeschreiblich episch ist, was er in aller Deutlichkeit wahrscheinlich nicht ist, sondern die Soundtracks, die ich darin vorstellen möchte. Episch sei hier im Sinne von „überragend und äußerst aufwändig – im Vergleich zu sonstigen zeitgenössischen Werken“ zu verstehen. In der heutigen Zeit sind ausnahmslos alle Soundtracks furchtbar episch und teuer und aufwändig, da kann ein Einzelwerk kaum noch aus der Reihe fallen.

Ich besinne mich wieder einmal auf die Zeit zurück, in der ich die meisten Spiele konsumiert habe: Mitte bis Ende der 90er Jahre. Damals, kurz nach meinem persönlichen Wechsel vom Amiga- ins PC-Lager, las ich ab 1995 sämtliche PC-Zeitschriften, die Monat für Monat so im Handel herumlagen. Auf den beiliegenden Demo-CDs gab es unzählige Spiele zum Testen. Das wird heute vermutlich immer noch so sein, mit dem kleinen Unterschied, dass es heute keine CDs mehr sein dürften. Jedenfalls spielte ich wirklich so ziemlich JEDE Demoversion von JEDER Ausgabe, außer vielleicht die ganz uninteressanten. Und so manches Spiel, dessen Demo ich mitunter wochenlang konsumierte, schaffte es sogar als Vollversion zum Geburtstag oder zu Weihnachten in meinen Besitz.

Ich als alter Nostalgiker möchte mal wieder auf drei außergewöhnliche Soundtracks von PC-Spielen aufmerksam machen. Die Ironie an der Sache ist, so fantastisch und beeindruckend die Soundtracks dieser drei Spiele für damalige Verhältnisse sein mochten, die Spiele an sich waren leider völlig verkannt und nur mäßig erfolgreich. Eben echte Underdogs. Aber das steigert den Kultwert für die Fans überhaupt erst. Jedenfalls schmälert es in keinster Weise den Spaß, den ich damit hatte.

Unsere Reise beginnt im Jahr 1997, genauer gesagt im März, als Spiele im besten Fall die brandneuen 3Dfx-Beschleunigerkarten nutzten, wenn überhaupt. LucasArts veröffentlichte den Western-Shooter Outlaws, der sich damals leider mit dem Build-Engine-Shooter Redneck Rampage vergleichen lassen musste. Nun, okay, man kann sich über den Vergleich streiten, und letzteres mag ich ja auch. Aber Outlaws hatte sovieles, das der derbe Konkurrent nicht hatte: Wunderschöne Zeichentrick-Cutscenes, gefährliche Pistolero-Banditen als Endbosse, eine sehr traurige Story, und vor allem einen gigantischen Soundtrack, der auch im CD-Player so einiges hermacht. Spielekomponist Clint Bajakian ließ sich für dieses brillante Werk von dem Stil der Spaghetti-Western und vom Italo-Großmeister Ennio Morricone inspirieren. Das hört man. Fans solcher Filme werden den Soundtrack lieben, dafür dass er eine eindrucksvolle Hommage für dieses Genre ist. Übrigens, das Spiel lohnt sich auch.

Outlaws-Soundtrack bei LucasArtSoundtracks

Im selben Monat erschien ein recht unkonventionelles Spiel von Activision: Interstate ’76. Es war kein Rennspiel, obwohl es um Autos ging. Im Prinzip war es sowas wie X-Wing vs. TIE Fighter auf einsamen Wüstenstraßen. Es gab eine Hintergrundgeschichte, und man musste Missionen absolvieren, in denen man sich mit anderen Fahrern traf, um zum Beispiel gemeinsam irgendwelche Banden zu bekämpfen und Autokonvois oder Tankstellen zu verteidigen. Zum Schluss endete das immer in wilden Autogefechten, in denen man mit seinem schwerbewaffneten Vehikel versuchte, ballernd an der Stoßstange des Vordermannes zu bleiben, ohne selbst von hinten beschossen zu werden. Das Setting des Spiels waren die 70er Jahre, so richtig mit Schlaghosen, Koteletten, dicken Afros und coolen Muscle-Cars. Was konnte besser zu diesem Spiel passen als ein extrem lässiger Funk-Soundtrack mit einem Hauch von Blaxploitation und einer Prise „Die Straßen von San Francisco“ oder so? Genau das brachte dieses Spiel nämlich mit. Der Soundtrack hat definitiv gefetzt. Das Spiel war aber wahrscheinlich etwas zu schwer und zu wenig Mainstream um erfolgreich zu sein. Schade eigentlich.

Interstate ’76-Soundtrack bei Interstate76.com

Und nun zu meinem absoluten Favoriten unter den Spiele-Soundtracks auf dem PC. Die letzte Station unserer Zeitreise ist der August 1999. Mit dem packenden Action-Adventure Outcast veröffentlichte das belgische Entwicklerstudio Appeal vielleicht das erste PC-Spiel mit vollständig orchestriertem Soundtrack. Das Spiel wurde vielfach ausgezeichnet und gelobt, sowohl für die Technik, für das Gameplay, aber natürlich ganz besonders für den hollywoodnahen Soundtrack von Lennie Moore, eingespielt vom Moskauer Sinfonieorchester. Outcast hatte eine bemerkenswerte Atmosphäre, eine kinoreife Story, eine lebende, atmende Spielwelt, und mit dem Synchronsprecher von Bruce Willis (Manfred Lehmann) auch eine große Portion Coolness im Gepäck. Die Grafik war quasi eine Mischung aus Voxel- und Polygongrafik, was sich vor allem bei der Darstellung des Terrains auszahlt. Außerdem war Outcast ein Hardwarefresser, das zeigt sich darin, dass die höchste Auflösung zwar zunächst 640×480, bei der damaligen Hardware aber wenig empfehlenswert war. Outcast bekam durchweg positive Kritiken. Leider legte man dem Spiel negativ aus, dass der Spieler viele künstliche Fremdworte lernen musste, um sich in der Welt von Adelpha zurechtzufinden. Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Gerade solche Details sorgten meiner Ansicht nach für eine extrem dichte Atmosphäre. Außerdem kenne ich bis heute keine schöneren Sonnenuntergänge als die in Outcast.

Outcast erschien auf zwei CDs und etwas später auf DVD-ROM. Traurigerweise war das Spiel wirtschaftlich eine mittelschwere Katastrophe für Appeal und für den Publisher Infogrames. Das Entwicklerstudio musste wenige Jahre später Insolvenz anmelden. Die Pläne für Outcast 2 wurden nie in die Tat umgesetzt. Outcast war trotz allem ein in jeder Hinsicht mehr als überzeugendes Spielewerk und verdient einen fairen zweiten Blick. Es ist eines der schönsten Spiele, die ich je durchspielen durfte.

Outcast-Soundtrack bei Planet-Adelpha