Ich bin kein Fan von Steam, das ist kein Geheimnis. Ich verabscheue jede DRM-Platform, ich protestiere gegen alle restriktiven Formen von Kopierschutz, und ich mag es absolut nicht, wenn ich Spiele als „Digital Download“ erwerben muss, also „ohne etwas in der Hand“ zu haben. Dennoch sind mir auch die Vorteile von Steam durchaus bewusst. Hin und wieder kann ich sogar meinen Frieden mit Steam machen.
Kürzlich machte ein Kollege mich darauf aufmerksam, dass es ein bestimmtes Spiel gerade bei Steam im Angebot gibt. Seit Wochen schon spielte ich mit dem Gedanken, jenes Spiel zu kaufen. Na wenn es jetzt sogar günstiger zu haben ist, dann spricht ja nichts mehr dagegen, dachte ich. Am selben Abend war ich noch mit ganz anderen Dingen beschäftigt, und auch am darauffolgenden Abend hatte ich weder Zeit noch Lust, irgendwelche Spiele zu spielen. Zwei Tage später wollte ich im Büro erneut auf das Thema zu sprechen kommen: „Ich glaube heute Abend kaufe ich mir das Spiel. Heute habe ich endlich Zeit!“, woraufhin mein Kollege entgegnete: „Jetzt ist das Spiel aber nicht mehr im Angebot, das galt nur bis gestern Abend. Jetzt kostet es 30 Euro mehr.“. Aha. Äh, wie bitte?
Pech für mich. So ist das Steam-Gamer-Leben wohl. Ob Holiday Sale, Summer Sale oder Weekend Deals: Die sogenannten Steam Deals gibts nur für sehr begrenzte Zeit, und wer nicht sofort zuschlägt, schaut eben zwangsläufig in die Röhre. Die unverschämt günstigen Angebote von Steam sind mit bis zu 75% Preisnachlass so bekannt, dass es Steam-Nutzer gibt, die praktisch ausschließlich Spiele dann kaufen, wenn sie im Angebot sind. Und wenn wir ehrlich sind, alles andere wäre wirtschaftlicher Quatsch. Genau darum stört es mich, und damit bin ich womöglich der einzige. Es ist an der Zeit, wieder ein wenig herumzunörgeln.
Ich bin ein Mensch, der immer versucht möglichst einfach zu denken. Entweder das Spiel ist 50 Euro wert oder es ist nur 20 Euro wert. Wenn es 20 Euro wert ist, kann ich es mir nicht mehr für 50 Euro kaufen, weil ich bereits weiß, dass ich dabei dreist abgezockt werde. So etwas kann ich rational nicht mehr vor mir selbst verantworten. Das ist Nepp. Wieso wird es nicht dauerhaft für 20 Euro angeboten? Wenn ich es für 20 Euro im Angebot gesehen und dieses leider verpasst habe, dann werde ich sicherlich den Teufel tun und wenige Stunden später freiwillig den deutlich höheren Preis dafür bezahlen. Eher verzichte ich komplett darauf, oder – schlimmer noch – ich schaue mich verärgert und mit einer gewissen „Jetzt erst recht“-Mentalität bei den Tauschbörsen um, damit ich nicht diesem permanenten Angebots-Zeitdruck ausgesetzt bin, zugreifen kann wann ICH mich dazu entschließe, und nicht wenn Steam es mir kurzzeitig vor die Nase hält. Wie soll man da ein Wertbewusstsein entwickeln, wenn man genau weiß, dass das Spiel einmal für ’n Appel und ’n Ei über die Theke geht, und im nächsten Moment muss man es schon fast auf Raten kaufen. Was soll man daraus lernen? Dass es weder darum geht, was das Produkt wert ist, oder was der Kunde bereit ist dafür zu zahlen, sondern allein darum ob man den Verkäufer an seinem großzügigen Tag erwischt?
Bei einem Preisnachlass um 75% beispielsweise spukt bei mir die Vorstellung im Kopf herum, dass ich das Spiel vier(!) Mal hätte kaufen können, wo ich jetzt nur noch genau eine einzige Lizenz bekomme. Oder umgekehrt: Nur weil ich das knappe Zeitfenster verpasst habe, bezahle ich vier Mal soviel wie zuvor – wohlgemerkt für exakt dieselbe Leistung. Es ist doch praktisch unmöglich in so einem Fall NICHT das Gefühl zu haben, gründlichst über den Tisch gezogen worden zu sein. Genug jedenfalls, dass ich an dem Spiel selbst vermutlich keine große Freude mehr hätte. In der Realität ist das gleichbedeutend mit dem Zwang, bei jedem Spiel zu warten, bis es zufällig gerade im Steam-Angebot zu haben ist, und es dann auch ja nicht zu verpassen, sonst darf man sich erneut monatelang auf die Lauer legen. Oder man bezahlt eben doch die Apothekenpreise, die ohne Angebot üblich sind.
„Da hat scheinbar jemand was gegen niedrige Preise?“, darf ich mir anhören, wenn ich meine Meinung zu dem Thema ausspreche. „Wenn im Supermarkt die Butter im Angebot ist, dann doch auch nur für kurze Zeit.“. „Steam wird doch wohl noch selbst entscheiden dürfen, was sie zu welchem Preis verkaufen wollen.“. Ja, Steam darf natürlich alles selbst entscheiden. Nein, ich hab natürlich nichts gegen niedrige Preise. Aber wenn im Supermarkt die Butter für 70 Cent im Angebot war, und ich soll eine Woche später 1 Euro dafür bezahlen, dann verursachen diese 30 Cent Unterschied keine stechenden Schmerzen in meinem Geldbeutel. Was anderes ist das doch bei 30 Euro, oder nicht? Außerdem ist Butter (oder Milch, Nudeln, Käse etc.) ein Artikel, den man regelmäßig kauft und auf den man (mehr oder weniger) angewiesen ist. Da erwischt man zwangsläufig irgendwann das Angebot.
Klärt mich auf! Fühle ich mich in meiner Opferrolle zu sehr wohl, oder ist dieses Preisgestaltungssystem wirklich so verkorkst, wie es mir im Moment erscheint? Gibt es überhaupt einen Grund etwas zu kaufen, das nicht im Angebot ist? Wie hat man das gemacht als der Staubsauger beim Elektrofachmarkt für weniger als die Hälfte im Angebot war? Müssen wir uns bald für jedes Produkt, für das wir uns interessieren, in einen Newsletter eintragen, der uns informiert, wenn es wieder im Angebot ist? Und wenn es mal soweit kommen sollte, dass alle Menschen alles nur noch im Angebot kaufen, wird es dann auch sowas wie Angebote unter den Angeboten geben?
Kommt mir bekannt vor. Dieser Tage sind TV Aktionswochen bei Amazon, jeden Tag nur ein bestimmtes Gerät deutlich reduziert. Ich war 12 Stunden zu spät dran und habe „das“ Angebot für mich verpasst. Ist doch im Endeffekt ein riesen Kreislauf geworden, Schnäppchenblogs boomen ja auch schon ewig.
Ob man das aber verstehen muss, ist die andere Frage. Ich denke viele Leute kaufen nur noch, wenn etwas im Angebot ist, sonst nicht. Siehe auch Gutscheincodes: Das Standardvorgehen vieler Menschen besteht inzwischen darin, vor dem Onlinekauf nach einem Gutscheincode zu googeln, man könnte ja zu viel bezahlen. Dell zum Beispiel zeigt inzwischen in seinem Onlineshop ganz oben eine Leiste mit einem Gutscheincode, durch den man Rabatt auf das Notebook o.ä. bekommt, welches man gerade betrachtet. Ist doch fast schon grotesk oder nicht? Warum nicht gleich günstiger verkaufen?
Die Antwort ist wohl zu einem guten Teil psychologisch, passenderweise habe ich kürzlich erst einen Beitrag dazu gesehen, in dem ausgeführt wurde, dass Rabatte auf unser Gehirn wie Drogen wirken und das reine „Sale!“-Schild schon Bereiche unterdrückt, die eigentlich für rationale Entscheidungen verantwortlich sind. Wenn das Notebook also immer so viel kostet, ists langweilig, steht obendrüber noch der Gutscheincode oder es gibt eben gerade Rabatt… *shut up and take my money* Im Prinzip wird unser Hirn ziemlich gekonnt mit solchen Aktionen verarscht.
Ich denke mit solchen Rabattaktionen wie bei Steam (oder sonst auch überall) greift man eben auch genau die reinen Rabattkäufer ab, die sonst gar nicht kaufen würden. Wer das Spiel eh will, wirds auch später noch kaufen, die paar verärgerten Kunden wie dich scheint man damit gut kompensieren zu können. Man wird es eben taktisch klug anstellen müssen, wenn der erste Ansturm schon vorbei ist oder ähnliches. Nicht so wie Praktiker, die nun pleite sind, weil irgendwann kein Schwein mehr in den Wochen im Laden war, als es ausnahmsweise mal nicht 25% „auf alles“ gab. Aber wer würde sich da nicht völlig verschaukelt fühlen, noch zum Normalpreis zu kaufen, wenn die Aktion sowieso ständig läuft? Selbst schuld.
Jetzt wo du es ansprichst: Mir ist bei Burger King oftmals diese absolut hirnrissige Vorgehensweise aufgefallen, komplette Menüs für Gutscheine günstiger anzubieten, wo praktischerweise diese Gutscheine auch direkt an der Kasse ausliegen, so dass man nur noch auf den ollen Papierschnipsel zeigen muss. Ob man vorher einen Gutschein bekommt oder nicht, spielt also im Endeffekt gar keine Rolle, denn die Gutscheine sind sowieso da. Wieso nicht einfach auf die sinnlose Papierverschwendung verzichten und für den Zeitraum der Aktion grundsätzlich zum niedrigeren Preis verkaufen?
Klar, die Frage ist rhetorisch. Im Prinzip dreht sich alles nur um Werbung und Kundenverarsche. Ob das Menü bei Burger King diese Woche 6,99 EUR oder 4,99 EUR kostet, das kann ich gerade noch ignorieren, wenn zumindest der Hunger groß genug ist. Aber wenn ich zusehen muss, wie ein PC-Spiel von einem Tag auf den nächsten um 30 EUR teurer wird – so wichtig kann mir das Spiel gar nicht sein, dass ich einen derart gruseligen Aufpreis hinnehmen würde.
Durch einen Preisnachlass um 30 EUR bei einem Normalpreis von 50 EUR wird der Normalpreis doch automatisch zur Farce. Wer sich solche Rabatte erlauben kann, setzt eine viel zu hohe Gewinnmarge an.
Ich kann gut nachempfinden, dass das Wertgefühl für ein Spiel bei den ganzen Steam-Sales leidet. Wäre ich ein PC-Spieler (und gleichzeitig Steam-Nutzer), würde ich mir langersehnte Spiele zwar wahrscheinlich trotzdem direkt kaufen, würde mich bei anderen Spielen jedoch eher an den Sales orientieren. So ärgerlich die Angelegenheit ist, sind die Sales (so ist zumindest mein Eindruck) doch relativ regelmäßig, sodass vielleicht schon absehbar ist, wann die nächsten Spiele im Angebot sein werden.
Viel mehr regen mich da schon eher die Supersonderangebote von Media Markt & Co. auf. Es ist überhaupt nicht absehbar, ob es Sonderaktionen gibt, wie lange diese laufen, für welche Spiele diese durchgeführt werden und wie hoch die Ersparnis sein kann.
Da informiere ich mich vorher im Internet nach Preisen, schau in die Prospekte, die Woche für Woche in meinem Briefkasten landen, und kaufe mir beispielsweise „God of War Ascension“ für ~ 60 Euro. Eine Woche nach Erscheinen des Spiels bin ich zufällig im Media Markt und sehe, dass die das Spiel im Rahmen einer Aktion für 30 Euro raushauen :-(.
Das Gleiche ist mir mit Tomb Raider passiert, nachdem ich es gerade (wohlinformiert) gekauft hatte. Bin im Saturn und musste sehen, dass die das Spiel im Rahmen einer Ein-Tages-Sonderaktion deutlich billiger anbieten.
Bei soetwas fühle ich mich ziemlich verarscht. Ich habe nichts gegen Sonderangebote – im Gegenteil. Diese sollten dann aber auch ohne Abo eines Newsletters zu bemerken sein.
Klar kann man hier sagen: „Wer sparen will, muss sich halt ein bisschen anstrengen.“ Um nicht mehr Geld als nötig auszugeben, bin ich auch bereit mich entsprechend zu informieren – deswegen regelmäßig bei Media Markt & Co. vorbeizufahren nur um zu schauen, ob die nicht plötzlich gerade mal wieder ein Supersonderangebot haben, ist mir dann allerdings zu blöd.
Zugegeben, ich habe hinter Sonderangeboten grundsätzlich noch nie ein System vermutet, so dass man vorher bereits informiert wäre, dass dieses oder jenes Produkt demnächst deutlich im Preis herabgesetzt würde.
Ich glaube mein Problem in dieser Hinsicht begründet sich großteilig darauf, dass sich verpasste Sonderangebote in Rabattbereichen wie 5%, 10% oder meinetwegen 20% höchstens in Form von Bedauern zeigen, wohingegen 50%, oder 75% bei mir blankes Entsetzen hervorriefen, weil ich nicht glauben könnte, wieviel Geld ich gerade zum Fenster rausgeworfen hätte. Ist bei dir ja scheinbar nicht anders.
Ginge so eine Aktion 3 Wochen lang, statt wie bei Steam nur 3 Tage, würde mich das auch deutlich weniger tangieren, weil man so zumindest die Chance bekäme, sich den Kauf nochmal zu überlegen, statt sich zum Spontankauf genötigt zu fühlen.
Ich stelle mir gerade 75% Rabatt bei einem Neuwagen vor. Ob sich VW, Audi & Co. sowas leisten könnten? ;-)