Und der Himmel ist das Limit

Tja, da sitze ich nun. Nach sieben Staffeln Star Trek: The Next Generation befinde ich mich also in der mit Sorge erwarteten Situation, diese großartige Serie kommentieren zu wollen. ENT und TOS habe ich bereits kommentiert, so musste ich ja schließlich hierüber stolpern. Aber was könnte ich eigentlich schreiben, was einer der besten TV-Serien aller Zeiten auch nur ansatzweise gerecht werden würde? In den nächsten paar Absätzen versuchen wir das doch einfach mal herauszufinden.

Ich fange am besten da an, wo alles für mich angefangen hat: Anfang der 90er im ZDF, damals noch unter dem deutschen Titel „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“. Meine erste Assoziation mit der Serie war „die falsche Enterprise mit dem glatzköpfigen Captain“. Falsch deshalb, weil ich damals TOS mit Kirk schon kannte. Die neue Enterprise erschien mir wie ein doofe Kopie. Noch während TNG schon lange lief, wurden im Vordergrund weiterhin fleißig Kirk-Kinofilme gedreht (1989 und 1991). Das verstärkte oberflächlich den Eindruck einer richtigen und falschen Enterprise. Nur wenige Jahre später habe ich verstanden, dass TNG das Original weit übertrifft. Die Serie avanciert sich zu meiner Lieblingsserie im Star Trek-Universum. Übrigens, Tasha stirbt in der ersten Staffel. Ups, gespoilert.

Der Abschied von der Serie fiel wie immer nicht ganz leicht, vor allem weil einem die Charaktere schnell ans Herz wachsen. So macht TNG in manchen Folgen den Eindruck einer Soap im Weltraum, wenn es um die Probleme einzelner Crewmitglieder geht. Es gibt da eben diese Soap-Folgen, dann gibt es religiöse Folgen, in denen es um Bräuche und Rituale geht (z.B. bei den Klingonen), dann gibt es die politischen Folgen, in denen es um Regierungen und Spionage geht (z.B. auf Cardassia), und es gibt die wissenschaftlichen Folgen, in denen die Enterprise irgendwelchen Anomalien ausgesetzt ist (z.B. temporale Fragmente), die sich ganz unterschiedlich auswirken. Temporale Fragmente kennt man ja auch aus dem irdischen Arbeitsalltag, ganz besonders Freitagnachmittag, wenn man dann in einem solchen Fragment gefangen wird und die Zeit im Büro plötzlich auf mysteriöse Weise langsamer vergeht. Seit je her bin ich speziell Fan der Zeitreise-Episoden, oder wenn es um ungeklärte Phänomene geht, die Geordi, Data & Co. analysieren müssen. Erst wenn es richtig losgeht mit dem sogenannten Technobabble, dann fiebere ich wirklich mit. Entscheidungsgemäß finde ich die religiösen und politischen Episoden nicht ganz so spannend.

TNG thematisiert abwechselnd religiöse Themen, Gesellschaftskritik, ethische Konflikte, juristische Themen, Dinge wie Alterseuthanasie uvm. Probleme die aus einem Rassismus resultieren, aus der Todesstrafe, der obersten Direktive der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Kulturen, machen die Entscheidungen von Captain Jean-Luc Picard ganz besonders schwer. Oft stellt sich die Frage, ob man sich einmischen darf, wenn man dafür ein Volk vor der sicheren Vernichtung bewahren könnte. In Grenzfällen setzt er sich daher über die oberste Direktive hinweg und riskiert damit sehr viel. Picard ist der geniale Denker, der Philosoph und ausgeglichene Schlichter. Er versteht sich sehr gut darin, argumentativ zu überzeugen, vor allem wenn verschiedene Rechtssysteme aufeinanderprallen, oder wenn er zum Beispiel ganz nebenläufig Data erklärt, was der Tod ist. Picard lässt oft sehr viel von seiner Tiefgründigkeit durchblitzen.

Data ist das Werk von Dr. Soong, und der einzige Androide im Dienst der Sternenflotte. Er betrachtet sich selbst als Lebensform und wird auch von allen Crewmitgliedern so behandelt. Eine Doppelfolge behandelt das Thema, ob Data zum Besitz der Sternenflotte gehört, oder ob er vollwertige Menschenrechte hat. Viele Dinge im Star Trek-Universum wurden in TNG zum ersten Mal eingebracht, darunter die Borg, das Q-Kontinuum, sowie unzählige Alien-Spezies wie die Bajoraner, Cardassianer, Romulaner usw.

Einziger Wermutstropfen, wenn man es denn als einen solchen betrachtet, ist die Tatsache, dass es in TNG keine zusammenhängende Geschichte gibt, die sich über die verschiedenen Staffeln entwickelt, wobei mich das selten stört. Einzig den ersten „richtigen“ Kontakt mit den Borg, und die darauffolgende militärische Aufrüstung der Sternenflotte, mit der Doppelfolge um Picard als Locutus von Borg (was den Grundstein für „First Contact“ legt), könnte man als einen zentralen Plot betrachten. Zwischendurch mischt sich der böse Zwillingsbruder von Data namens Lore ein, und rekrutiert seine eigenen Borg-Söldner. Später geht es dann mehr um Grenzkonflikte mit den Cardassianern und sowas. Eine Folge erinnerte von der Handlung sehr stark an den Kinofilm „Der Aufstand„, wo es um das Ausspionieren unterentwickelter Zivilisationen geht.

Was passiert sonst noch so? Data mimt den Pinocchio und wäre gerne ein Mensch. Geordi hätte gerne eine Freundin. Riker muss sich fragen ob er ein eigenes Kommando übernehmen oder doch ewige Nummer Eins auf der Enterprise bleiben will. Picard und Dr. Crusher versuchen eine Nicht-Beziehung zu führen. Worf will seinen Sohn Alexander zu einem echten Klingonen erziehen, obwohl er selbst ständig aufgezogen wird, kein richtiger Krieger zu sein. Troi hat Probleme mit ihrer exzentrischen Mutter. Wesley Crusher weiß nicht was er werden will, daher wird er ein Zeitreise-Indianer. Aber es wird kaum skurriler als das.

Ich hoffe ich konnte einen möglichst verwirrenden Überblick über die Serie geben. Zusammengefasst: The Next Generation ist fantastisch in jeder Hinsicht. Die Darsteller wurden perfekt gecastet. 1994 wurde Kirk dann in „Generations“ auch im Kino durch Picard würdevoll abgelöst. Die vier TNG-Kinofilme sind die besten der ganzen Reihe, daher bedauere ich, dass „Nemesis“ das Ende darstellen sollte. Am besten finde ich, dass TNG eine gleichermaßen tiefgründige und bodenständige Serie ist, obwohl sie irgendwo im Weltraum spielt. Besser als das wird Star Trek vermutlich nie wieder werden. Ganz im Sinne von J.B.O. hätte ich vielleicht doch mal eine Karriere bei der Sternenflotte in Betracht ziehen sollen, damit ich mit Jean-Luc fliegen kann.

11 Gedanken zu „Und der Himmel ist das Limit

  1. Diskutant

    Interessante Zusammenfassung, ich habe die TOS Serie nie gesehen (ausgenommen vereinzelte Folgen an die ich mich aber nicht wirklich erinnern kann) TNG habe ich als Kind im Fernsehen oft gesehen, ist dem entsprechend lange her, kann mich aber noch an einige Sachen erinnern. Von der Tiefgründigkeit hab ich damals aber wohl nicht so viel mitbekommen, von daher freue ich mich darauf wenn ich mir die Serie zu gemühte führen werde (die Blu-Rays erscheinen ja nun so langsam, da werde ich dann zugreifen).

    Aber bei dem Punkt zu den Filmen muss ich dir vehement Widersprechen! Ich habe mir letztes Jahr alle 11 Teile innerhalb von ein oder zwei Monaten angeguckt. Die alten Filme kannte ich bis dato nur auszugsweise und fand sie wirklich gut. Bei TNG ebte es dann aber so langsam ab. 7 und vorallem 8 kann man sich noch gut angucken, aber schon Teil 9 hatte mich schon im Kino enttäuscht und fand ihn auch jetzt nur wenig besser als damals. Aber Teil 10 war wirklich für die Tonne. Vom 11. hingegen bin ich wieder begeistert. Darüber kommt wohl nur noch der vierte Film. :)

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  2. Vince Beitragsautor

    Hehe, ja, das ist der richtige Ort für Diskussionen der Art wie „Welcher Captain war der beste“, „Welcher Film war der beste“ etc. ;)

    Das mit den TNG-Blu-rays verfolge ich ebenfalls in den Augenwinkeln. Da bin ich wahnsinnig gespannt darauf, vor allem auf die neuen gerenderten Szenen und die deleted Scenes, die dann vielleicht wieder Verwendung finden werden.

    Finde ich super, dass du dir die Zeit nimmst mir zu widersprechen, weil ich mir dann die Zeit nehmen kann, dir teilweise recht zu geben.

    Mein ewiger Favorit bei den Filmen ist Der Zorn des Khan. Auf Platz 2 kommt First Contact, weil ich die Borg für den ultimativen Gegner halte. Das war so ein bisschen die „James-Cameron-Schiene“ bei Star Trek. Dahinter müsste ich erst lange überlegen, welche ich davon mehr oder wenig mochte.

    Der erste Star Trek Kinofilm wird weithin als sehr langwierig betrachtet, weil ewig nichts passiert, und die Sache mit diesem V’Ger doch etwas mau rüberkommt. Trotzdessen mag ich den Film. Auch die anderen Kirk-Filme finde ich super, sogar der mit den Walen, obwohl der wirklich gewöhnungsbedürftig ist und zuviel auf der Erde spielt („Hallo, Computer?“) ;)

    Generations fand ich auch sehr schön, aber da stimmen mir nur wenige Trekkies zu. Der Aufstand war dagegen wirklich kein Renner, der Soundtrack war noch das beste daran. Nemesis mochte ich vor allem wegen dem Ende.

    Aber Star Trek (2009) war nicht so wirklich mein Ding. Da merkt man zu sehr, dass die Produzenten ein neues Publikum erschließen wollten. Mit Picard wäre das eben nicht mehr gegangen.

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  3. Ulketulke

    Star Trek verkommt meiner Meinung nach mittlerweile zu einer „0815 Sci-FI-Action“ Serie, wenn man sich den letzten Film ansieht dann wird eigentlich nur das drumherum wie die „Geschicht“ und das bekannte Design von Raumschiffen/Uniformen/Personen/Alienrassen genommen und der Inhalt einfach durch ne 0815 Action Story ersetzt. Besonders das neue Spiel das das nächstes Jahr rauskommen soll zielt auf diese neue Zielgruppe ab.
    http://www.gamestar.de/spiele/star-trek/46983.html wers noch nicht gesehen hat.
    P.S. Heute ist ein besonders guter Tag zum Sterben.

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  4. Trekkie

    Wunderbar! Einfach großartig, gerade zu Faszinierend ;-| . Noch ein Trekkie den ich in meinem Feedreader habe ;-) . Vincent darf ich demnächst mal ein Interview mit dir machen?

    Gruß
    Willi

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  5. Vince Beitragsautor

    @Ulketulke: Ja, da sind wir was Star Trek angeht, wohl einer Meinung. Der neue Film mag ein Erfolg gewesen sein, aber es stellt doch irgendwie einen krassen Bruch zu den alten Filmen dar. Lange Zeit habe ich mir ja Hoffnung gemacht, dass es einen Voyager-Kinofilm oder wenigstens einen ENT-Kinofilm geben könnte, damit das Franchise nicht ausstirbt. Dass jetzt (in Zeiten der vielen Prequels) ein Prequel rauskam, und jetzt ein Sequel zum Prequel rauskommt, das ist zwar konsequent, und der Film mag auch gut gemacht sein (zugegeben), aber man merkt, dass es den Star Trek-Machern nicht mehr gereicht hat, die Fans anzusprechen. Für mich wirkt der Film wie Star Trek Light, damit auch Nicht-Trekkies ins Kino gehen. Schon die Auswahl der Darsteller spricht Bände. Man wollte bewusst nicht irgendwelchen Nonames eine Chance geben, man musste international bekannte Stars ins Boot holen, damit die Kinoplakate nach was aussehen. Sowas hatte Star Trek bisher nie nötig.

    @Willi: Vielen Dank. Ich glaube sinnvoller wäre es, wenn du ein Interview mit beispielsweise Wil Wheaton machen würdest oder so, aber meinetwegen kannst du gerne auch mich interviewen :)
    Es ist immer schön, Gleichgesinnte kennenzulernen. Und Star Trek ist ja ein endloses Feld.

    Ich wusste gar nicht, dass du zwei Blogs gleichzeitig betreibst.

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  6. Trekkie

    Hi Vincent,

    ja das ein oder andere Blog fristet seit Jahren so sein da sein im Netz. Zur Zeit versuche ich für Trekkie regelmäßiger zu bloggen. Daher auch die Interview Anfrage an dich. Die Fragen schicke ich dir dann mal die Tage per E-Mail.

    Gruß
    Willi

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  7. Benni

    Meiner Ansicht nach hätte es 40 Staffeln von TNG geben müssen.
    Nur Q hat mich immer genervt, aber ich habe dann irgendwann die Theorie aufgestellt, dass er genau das machen sollte. :-)

    Leider habe ich die Staffeln nicht auf DVD, so dass ich nicht mal sagen kann, ob ich wirklich alle Episoden gesehen habe.
    Wenn jemand ein günstiges Angebot kennt … her damit. :-)

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  8. AndiBerlin

    Ich werde nie vergessen wie ich die Picard Borgfolge erlebt habe. Ich glaube die lief noch im ZDF. Ich kam gerade vom Zahnarzt, und der zweite Teil fing an. Auf keinen Fall wollte ich die Fortsetzung verpassen. Junge, bin ich gerannt! :)
    Mit keinem der Star Trek Filme konnte ich was anfangen. Ich weiß auch nicht wieso. Für mich zählte immer nur die Serie. TOS ist aber nicht so mein Ding. TNG ist für mich die Serie.
    Aber der Auftakt mit Farpoint Station ist wirklich schlecht, finde ich. Man gut das ich ausgehalten habe, und dabei geblieben bin.

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  9. Vince Beitragsautor

    @Benni: richtig, Q war ne ziemliche Nervensäge, nicht nur für Picard/Sisko/Janeway, sondern eben auch für den Zuschauer. Aber 40 Staffeln kann es heute noch nicht gegeben haben. Wäre TNG weitergelaufen, wären wir heute erst bei Staffel 25 *g*

    @Andi: Die Pilotfolge von Deep Space Nine finde ich viel schlechter als Farpoint Station. Viel zu abgespaced und wirr. Zum Glück wird DS9 mit der Zeit besser.
    Aber davon ab, wie kann man denn KEINEN Star Trek Film mögen ;) Also zumindest „First Contact“ muss dir als Borg-Fan doch irgendwas gegeben haben. So bedrohlich, so spannend, so genial!

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